Soldaten befestigen eine ukrainische Fahne auf einem Militärfahrzeug nahe der zurückeroberten Stadt Lyman.

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Während in Russland Wladimir Putin die Annexion ukrainischer Gebiete mittels Unterschrift durch die entsprechenden Dekrete abgeschlossen hat, setzten die ukrainischen Streitkräfte ihre Gegenoffensive im Süden und Osten des Landes fort – und zwar laut Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Erfolg. In Sachen Atomkraftwerk Saporischschja will Moskau das Werk offenbar unter die Kontrolle russischer Behörden stellen.

Rückeroberungen

Selenskyj erklärte bereits Dienstagabend, dutzende Ortschaften in den Gebieten Cherson, Charkiw, Luhansk und Donezk seien von den russischen Truppen befreit worden. Einen Tag später teilte das südliche Operationskommando der ukrainischen Streitkräfte (UAF) mit, dass in einigen Bereichen der Frontlinie das zurückeroberte Gebiet "um zehn bis 20 Kilometer" erweitert werden konnte. Zudem hieß es, russische Truppen hätten bei ihrem Rückzug ihre Munitionsreserven zerstört und versucht, durch die Zerstörung von Brücken und Übergängen den Vormarsch der ukrainischen Truppen zu stoppen.

In Cherson, heißt es weiter, hätten abziehende russische Streitkräfte Minen in Infrastruktureinrichtungen und in Häusern platziert. Und in Luhansk sollen bereits mehrere Siedlungen zurückerobert worden sein, schrieb der ukrainische Gouverneur Serhij Hajdaj auf Telegram. Diese Angaben wie auch jene der russischen Seite lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Russischer Gegenschlag

Trotz der militärischen Rückschläge hält Moskau an der Annexion der vier ukrainischen Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk fest. "Sie werden für immer zu Russland gehören", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Russland werde die Gebiete zurückerhalten. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete, dass in der Region Cherson ein russischer Gegenangriff vorbereitet werde.

Die Truppen würden sich neu aufstellen, "um ihre Kräfte zu sammeln und einen Vergeltungsschlag auszuführen", wird der von Russland eingesetzte Vertreter Kirill Stremusow am Mittwoch zitiert.

Weit entfernt von der Front im Süden und Osten hat Russland erstmals die ukrainische Hauptstadt Kiew mit iranischen Drohnen angegriffen. "Es gab sechs Einschläge und Explosionen", teilte der Gouverneur des Gebiets Kiew, Olexij Kuleba, am Mittwoch über Telegram mit. In der Nacht hatte es in der Hauptstadt und dem angrenzenden Gebiet über drei Stunden lang Luftalarm gegeben. Den Luftstreitkräften zufolge sind insgesamt zwölf iranische Drohnen aus südlicher Richtung auf Ziele geflogen. "Sechs von ihnen wurden abgeschossen, drei mit Flugabwehrraketen im Süden, und ebenfalls drei wurden durch die Luftstreitkräfte abgeschossen", sagte der Sprecher der Luftwaffe, Jurij Ihnat.

Der Iran hatte eine Lieferung offiziell bestritten. Kiew hingegen hatte sie als "unfreundlichen Akt" bezeichnet und den iranischen Gesandten des Landes verwiesen sowie das Personal der iranischen Botschaft reduziert.

Putins Unterschrift

Ungeachtet der militärischen Entwicklung hat Kreml-Chef Wladimir Putin die völkerrechtswidrige Annexion der besetzten Teile der ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk am Mittwoch per Unterschrift unter die entsprechenden Dekrete abgeschlossen. Die Integration der Gebiete soll nach russischen Angaben nun schrittweise erfolgen. Sie sollen ihre Namen behalten. Anfang 2023 soll dort die russische Währung, der Rubel, alleiniges offizielles Zahlungsmittel sein.

AKW Saporischschja

Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), hat für diese Woche Besuche in Kiew und Moskau angekündigt, um Gespräche über die Einrichtung einer Sicherheitszone rund um das Atomkraftwerk Saporischschja – das größte Europas – fortzusetzen. Es wird von Russland kontrolliert, aber von ukrainischen Technikern betrieben. Putin hat das AKW am Mittwochabend per Dekret unter russische Kontrolle gestellt. (Kim Son Hoang, 5.10.2022)