Auf diesem Bild aus dem April paradieren Basij-Milizen anlässlich des Jerusalem-Tags in Teheran.

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Angesichts der Bilder und Berichte aus dem Iran fragen sich viele, wie lange sich ein Regime unter solcher Bedrängnis halten kann. Die von den Frauen angeführten Proteste werden vielleicht an einer Stelle weniger, tauchen aber wieder woanders neu auf. Es ist kein Nachgeben. Bei Telefonaten mit Teheran hört man im Hintergrund die Rufe der Demonstrantinnen und Demonstranten.

Und dann sieht man Videos mit Schlägertrupps, teilweise auftretend wie kriminelle Motorradgangs, die Angst und Schrecken verbreiten. Für die Zukunft des Aufstands stellt sich nicht nur die Frage, wie lange die Protestierenden aushalten, sondern auch, ob diese freiwilligen Paramilitärs weiter ungebrochen ihren Job für die Islamische Republik machen.

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Sie waren nicht nur von Anfang an gegen die Proteste im Einsatz, sondern stellen teilweise auch die Sittenpolizei, die unter der neuen Regierung von Ebrahim Raisi den Auftrag bekam, wieder stärker auf den Straßen für das zu sorgen, was für Zucht und Ordnung steht: unter anderem die Kopfbedeckung der Frauen. In den Medien ist oft vereinfacht von den "Basijis" die Rede, ihr Name lautet "Sazman-e Basij-e Mostazafan", die "Organisation für die Mobilisierung der Unterdrückten".

Die "Unterdrückten" ist ein Schlüsselwort in der Islamischen Republik. Nach der Revolution 1979 – die von vielen Teilen der Gesellschaft getragen, aber von den Islamisten gekidnappt wurde – entstand eine Jugendbewegung, die tief in sozial schwachen Schichten verwurzelt war: die Hezbollahis (Parteigänger Gottes). Der Iranist Walter Posch schreibt in einem älteren Artikel des Nahostmagazins "Zenith" von "einer am Rande des politischen Spektrums angesiedelten Bewegung, die eine permanente Islamische Revolution fordert".

"Menschliche Wellen" im Krieg

Die Basijis gehören ideell dazu, sind aber als Freiwilligenmiliz paramilitärisch aufgestellt. Die Organisation ist so alt wie die Revolution selbst. Während des Iran-Irak-Kriegs (1980–1988) wurden die fanatisierten Jugendlichen berühmt für ihre "menschlichen Wellen" gegen die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein. Als er den Krieg gegen Khomeini zu verlieren drohte, den er selbst vom Zaun gebrochen hatte, unterstützen ihn die USA und andere westliche Staaten.

Die Basijis wurde 1981 in die Revolutionsgarden (IRGC) eingegliedert, die heute im Staat so stark sind wie nie zuvor, nicht zuletzt wirtschaftlich. Längst handelt es sich auch bei den nicht mehr so jungen Mitgliedern um eine Generation, die außer der Islamischen Republik nichts kennengelernt hat. Sie sind die eiserne Faust des Regimes, besonders präsent, wo auch andere junge Leute sind, etwa in den Universitäten. Der Kulturkampf, der zwischen der "normalen" Zivilgesellschaft und dem Zwangsregime ausgebrochen ist, liegt in ihren Händen. Das Regime könnte sich auch nicht leisten, sie zurückzupfeifen, es braucht ihre Loyalität.

Zu den Zahlen gibt es ungewisse Angaben: Da sind die ständig Bewaffneten von etwa 90.000, aber viel mehr können im Bedarfsfall mobilisiert werden. Man kann von Hunderttausenden ausgehen, manche sprechen von Millionen. Es ist die Reserve des Regimes. Allerdings hat der Iran eine Bevölkerung von geschätzt 86 Millionen.

Es gibt auch einen Frauenzweig, die Basij-e Khaharan (Basij-Schwestern), auch hier sind es Millionen Organisierte. Auf den Straßen mögen jetzt die männlichen Basijis dominant sein, in der Sittenpolizei arbeiten auch Frauen – und natürlich spielen sie bei der Weitergabe der Werte der Revolution in der Familie eine große Rolle. Was man im Iran sieht, ist kein Kampf Frauen gegen Männer oder Religiöse gegen nicht Religiöse, sondern ein ziviler Aufstand gegen ein Zwangsregime, das noch immer einigen Rückhalt hat. (Gudrun Harrer, 5.10.2022)