Tempolimits auf Straßen sind im Notfall jetzt schon möglich. Im Energienotfall sollen sie per Gesetz und damit leichter verordnet werden können.

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Wien – Kaum renoviert wird das Energielenkungsgesetz für den Fall von Störungen der Energieversorgung schon wieder novelliert. Im ersten Gesetzesentwurf schlägt das für Energie- und Umweltpolitik zuständige Klimaschutzministerium einige Änderungen vor, die der Industrie und dem Koalitionspartner ÖVP eher nicht schmecken.

Im neuen Teil 5 des Gesetzesentwurfs etwa sind "Maßnahmen zur Prävention von Störungen der Energieversorgung" vorgesehen, die teils sehr umfassend sind. Dazu gehören Maßnahmen zur Einsparung oder Reduktion von festen oder flüssigen Energieträgern ebenso wie von Elektrizität, Erdgas oder Wärme "insbesondere in Privathaushalten, öffentlichen Gebäuden, Bauten auf öffentlichem Grund sowie in Unternehmen", wie es im ersten Vorbegutachtungsentwurf zur Novelle heißt, der dem STANDARD vorliegt.

Vorgaben für Tempolimits

Vorgeben können will das Ministerium weiters Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie "Abweichungen, Ausnahmen oder Anweisungen für die Betriebsweise von Anlagen" oder Abweichungen von Emissionsgrenzwerten. Selbst Höchstgeschwindigkeiten von Kraftfahrzeugen sollen im Energienotfall gedrosselt werden können, was im Fall des Falles eigentlich jetzt schon möglich ist.

In der Industrie sieht man derart weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in Erwerbsfreiheit und Marktwirtschaft mit großer Skepsis. Diese Ausweitung der Kompetenzen des Ministeriums mit derart tiefen Eingriffsmöglichkeiten sei erheblich – und sollte grundsätzlich nicht einem Ministerium allein vorbehalten sein, sagt eine mit der Materie vertraute Person, die nicht genannt werden will. Bis dato liege ein Energielenkungsfall erst bei einer eingetretenen Störung vor, künftig sollen gravierende Eingriffe in Eigentums- und Persönlichkeitsrechte bereits "zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Störung" möglich sein.

Für Marktstörung unzureichend

Im Ministerium begründet man die neuerliche Novellierung mit dem Bestreben, das nicht für eine Marktstörung wie der aktuellen Gaskrise ausgelegte Energielenkungsgesetz auf Stand bringen zu wollen. Das mehrfach geänderte Gesetz sei für die von Russland ausgelöste Multi-Energiekrise nicht gemacht, es genüge den aktuellen Anforderungen nicht.

Was Wirtschaftsvertreter besonders stört: Die großzügig ausgelegten Entschädigungen, wie sie derzeit für die Umrüstung von Gas auf Öl oder Kohle im Gasnotfall vorgesehen sind, sollen offenbar zurückgenommen werden. Für die eingangs erwähnte Anordnung der Einsparung oder Reduktion von festen oder flüssigen Energieträgern, Elektrizität, Erdgas, Wärme in Unternehmen und Haushalten beispielsweise wäre dann keine Entschädigung vorgesehen. Falls doch, würde dies in Ausnahmefällen mittels Verordnung festgelegt werden. Würde dies so umgesetzt, wäre das eine Abkehr vom Grundsatz der Entschädigung bei Enteignungen oder ähnlichen Eingriffen, die erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe stößt.

Griff nach Zufallsgewinnen

Vorsorgen will man offenbar auch für Zufallsgewinne, wie sie Stromversorger aufgrund der aktuellen Marktstörungen in Milliardenhöhe einstreichen: Bei der Bemessung von Entschädigungen sind laut Gesetzentwurf nämlich "Förderungen oder sonstige Unterstützungsleistungen des Bundes, der Länder oder sonstiger Körperschaften öffentlichen Rechts sowie allfällige Vermögensvorteile von Antragstellern" zu berücksichtigen, "die sich vorrangig aus einer nicht vorhersehbaren Änderung der allgemeinen Marktlage ergeben". Heißt auf gut Deutsch: Wer Förderungen oder Subventionen bekommt, erhält im Ernstfall keine Entschädigung. Die Formulierung scheint allerdings einigermaßen schwammig, ab wann Versorger als Krisengewinner abgeschöpft werden, wird nicht ausgeführt.

Reparatur in Arbeit

Die notwendige Reparatur der Gaslenkungsverordnung ersetzt diese Gesetznovelle übrigens nicht. Die vom Energieministerium vorgelegte Verordnung war Ende August im Hauptausschuss des Nationalrats durchgefallen, die SPÖ hatte die notwendige Zweidrittelmehrheit verweigert, weil Konzernen mit Milliardengewinnen wie der Verbund AG die Umrüstung von Gas auf Kohle staatlich finanziert und quasi vergoldet würde.
(Luise Ungerboeck, 6.10.2022)