Die neue "Europäische Politische Gemeinschaft" macht's möglich: Der tschechische Premier Petr Fiala, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, empfing am Donnerstag in Prag auch Liz Truss, Regierungschefin des Nicht-EU-Mitglieds Großbritannien.

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Die Schaffung einer "Europäischen Politischen Gemeinschaft" (EPG), die Donnerstagnachmittag in Prag von 44 europäischen Staaten aus der Taufe gehoben wird, geht auf eine Idee des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zurück. Frankreich hatte im Frühjahr den EU-Vorsitz inne, als Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine startete.

Sehr bald stellte sich heraus, dass die EU mit ihren 27 Mitgliedern eine derartige Kriegssituation nicht nur in Abstimmung mit der Nato (der 23 EU-Staaten angehören) bewältigen kann. Es gibt eine Reihe von Ländern auf dem Kontinent, die weder dem transatlantischen Bündnis noch der EU angehören, die aber von den Auswirkungen des Krieges direkt oder indirekt betroffen sind.

Das gilt für sechs Länder des Westbalkans, die EU-Beitrittskandidaten sind bzw. bereits in Beitrittsverhandlungen stehen, ebenso wie für die Staaten der Östlichen EU-Partnerschaft, also die Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und die Republik Moldau – nicht aber für Belarus, das sich eng an Moskau angelehnt hat. Die Türkei spielt sogar eine Schlüsselrolle. Im Westen sind es die Efta-Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island, die sich dieser neuen "politischen Gemeinschaft" anschließen, aber auch Großbritannien, das 2020 aus der EU ausgetreten ist und dessen Militärhilfe neben jener der USA für die Ukraine und damit auch für die EU-Europäer eine große Rolle spielt.

Wirtschaftlich, bei der Energieversorgung vor allem, sind ohnehin alle Staaten des Kontinents massiv von den Auswirkungen des Krieges betroffen. Immer geht es auch darum, die Rolle gegenüber Russland zu klären und die Frage, wie man mit den Flüchtlingsströmen aus der Ukraine umgeht. Für die Ukraine selbst übrigens nimmt Präsident Wolodymyr Selenskyj an dem Prager Gipfel teil, allerdings nur per Videoschaltung.

Volle Souveränität

Schon der Name der neuen Gemeinschaft EPG deutet darauf hin, worum es nicht geht. Die heutige EU nannte sich bis zu den Verträgen von Maastricht 1993 Europäische Gemeinschaft (EG), sie war vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft ohne gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Auch waren die Grenzkontrollen damals nicht abgeschafft (Schengen), es gab keine vergemeinschaftete innere Sicherheitspolitik. Mit der Schaffung der Europäischen Union (EU) und der Einführung der Gemeinschaftswährung Euro hat sich die ehemalige EWG sehr tief integriert. Indem man nun eine nur "Politische Gemeinschaft" anspricht, wird schon das Ziel definiert: Die Staaten bleiben voll souverän, aber es soll ihnen die Möglichkeit geboten werden, mit den EU-Staaten auf Augenhöhe am Tisch zu sitzen, die wichtigsten Fragen für Europa direkt auszusprechen.

Eine solche "Mini-UN-Versammlung" hat auch den Vorteil, dass man sich untereinander trifft. Es wird in Prag viele bilaterale Kontakte geben, Gespräche, die man sonst nur am Telefon oder aufwendig mit Reisediplomatie abarbeiten muss. Im Jahr 2000 hatte es schon einmal den Versuch gegeben, eine "Europäische Konferenz" zu schaffen mit allen Staaten des Kontinents, auch wenn sie keinen Anspruch hatten, der EU als Mitglied beizutreten. Am Rande des EU-Gipfels von Nizza trafen sich 50 Staats- und Regierungschefs. Die Sache schlief mit der großen Erweiterungsrunde 2004 wieder ein. (Thomas Mayer aus Prag, 6.10.2022)