Bei der Kapitulations-Hotline des ukrainischen Verteidigungsministeriums dürfte derzeit Hochbetrieb herrschen.

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In den letzten Wochen lief es nicht besonders gut für das russische Heer in der Ukraine. Zuerst brach den Invasionstruppen des Kreml die Frontlinie nahe Charkiw zusammen, was letztlich darin mündete, dass die Ukraine in rund einer Woche Gebiete befreien konnte, deren Eroberung Russland mehrere Monate gekostet hatte.

Im Süden, entlang der Kampflinie zwischen Mykolajiw und dem besetzten Cherson, gelangen der ukrainischen Armee derweil nur punktuell Erfolge. Vor wenigen Tagen glückte jedoch ein Durchbruchsversuch nebst Befreiung mehrerer Ortschaften. Die Situation könnte in Einkesselungen russischer Truppen entlang der Flüsse Inhulez und Dnepr münden.

Kapitulationen

Als Indiz für die militärischen Erfolge der Ukrainer tauchen auch immer wieder – allerdings kaum verifizierbare – Postings, Fotos und Videos auf, die von Kapitulationen russischer Einheiten berichten oder diese auf Videos zeigen. Seit Ende September gesellt sich ein neues Phänomen hinzu.

Nämlich Beschwerden über die vom ukrainischen Verteidigungsministerium eingerichtete "Ich will leben"-Telefonhotline für russische Soldaten, die sich ergeben möchten. Garantiert wird ihnen nicht nur ihr Leben, sondern auch eine Behandlung gemäß der Genfer Konvention betreffend die Behandlung von Kriegsgefangenen, die unter anderem ein Verbot von Folter beinhaltet.

Besetzte Leitungen

Den Beiträgen, Medienberichten und auch ukrainischen Angaben zufolge dürfte der Aufgeben-per-Anruf-Service seit gut zwei Wochen mit Überlastung zu kämpfen haben. Teilweise rufen demnach nicht nur bereits aktive Soldaten an, sondern auch Russen, die ihre baldige Einziehung im Rahmen der vom Kreml angeordneten Teilmobilisierung befürchten. Berichtet wird davon, dass oft viele Anrufe notwendig sind, um durchzukommen, und die Leitung ständig besetzt sei.

In einem von der Journalistin Marina Weisband dokumentierten Posting moniert eine mutmaßlich russische Nutzerin, dass "die Ukrainer ihre russischen Brüder im Stich" lassen würden, weil bei der Hotline kein Durchkommen sei. Sie fragt sich, warum es den Behörden nicht möglich sei, die Arbeitszeiten des zuständigen Personals auszuweiten und der Stelle mehr Mitarbeiter zuzuweisen.

Krieg an mehreren Fronten

Neben einem Hilfsangebot ist die Hotline freilich auch ein Teil medialer und psychologischer Kriegsführung. Russland ist hingegen bemüht, die besetzten Gebiete der Ukraine von Informationen aus dem Rest des Landes abzuschotten. Der Kreml soll in manchen südlichen Regionen den Internet-Datenverkehr über Russland umgeleitet haben, sodass er den dortigen staatlichen Kontroll- und Zensurmaßnahmen unterliegt.

Das russische Parlament hat mittlerweile auch die nach Fake-Referenden angekündigte Annexion von vier Gebieten – Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk – bestätigt. Die Einverleibung in russisches Territorium findet international aber so gut wie keine Anerkennung. (gpi, 6.10.2022)