Oscarpreisträgerin Allison Janney und Jurnee Smollett in "Lou" auf Netflix.

Foto: Netflix

Ältere Frauen servieren in Actionfilmen oft Tee und Kekse oder altern ahnungslos weiter, während ihre Kinder, die bösen Buben, schlimme Dinge tun. Manchmal leiten sie auch, hübsch durchgestylt und chirurgisch verjüngt, Agententeams vom Büro aus. Wer endlich eine andere Frauenrolle 60 plus in Aktion sehen will, muss Lou sehen.

Diese Lou (gespielt von der 62-jährigen, großartigen Oscarpreisträgerin Allison Janney) lebt abgeschieden als Selbstversorgerin und Jägerin mit ihrem Hund. Eigentlich will sie jetzt ihr Leben beenden, das hat sie auch gut vorbereitet. So steigen wir in die Szenerie ein – zur Umsetzung kommt sie allerdings nicht, denn die kleine Tochter ihrer Mieterin im naheliegenden Zusatzhäuschen wird entführt. Mutter Hannah lässt sich im strömenden Regen und in maximal düsterer, stürmischer Inszenierung von Lou helfen.

Abmarsch der beiden Frauen im Schlamm, hinein in den finsteren Wald, dem Entführer nach. Entlang dieser gatschigen Spur rollt sich Lous gesamte Vergangenheit auf. Schnell wird klar: Einfach ein Sonderling ohne Sozialkompetenzen ist sie nicht. Nur bei den Pfadfindern auf Sommerlager war sie wohl auch nicht. Es wird brutal. Und es wird weit mehr als nur ein außerordentlich guter Actionfilm.

Lou ist wirklich überzeugend als amazonenartige Kampfmaschine, die Schmerzen besser ertragen kann als beispielsweise Jason Statham im derzeit beliebten Mechanic Resurrection. Sie packt aber zusätzlich auch immer archaische weibliche Rollenaspekte in ihren Kampf hinein – das macht den Film stellenweise wirklich herzzerreißend. Und sogar die Kritiken sind überwiegend lobend. (Karin Bauer, 7.10.2022)