So oft ist innerhalb weniger Wochen noch nie eine Regierung entlassen worden, wie das der hiesigen im laufenden Präsidentschaftswahlkampf widerfuhr. Auch wenn es sich dabei bis auf weiteres um unreines Wunschdenken handelte, schien sich der Bundeskanzler bedroht zu fühlen, holte er doch aus Anlass eines Figl-Geburtstages zu dem Aufruf aus, den Populisten, die "unsere Freiheit und Demokratie bedrohen", Kante zu zeigen. Schade, dass er nicht nur Kante vermissen ließ, sondern sich als Steigbügelhalter betätigte, als Sebastian Kurz sich durchaus populistisch zum türkisen Alleinherrscher über die schwarze Volkspartei ermächtigte. Die innerparteiliche Demokratie hätte nicht leiden müssen, und das Land sähe heute weniger Populisten.

Van der Bellens Konkurrenten setzen auf die Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler.
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Wenn vier der sechs Kandidaten, die gegen Van der Bellen antreten, mit einer Entlassung der Regierung den ihrer Meinung nach triftigsten Grund anbieten, sie zu wählen, dann zielt das nicht nur auf das aktuelle Schwarz-Grün, es ist auch ein Reflex auf den Stil, in dem seit 2017 daherregiert wurde, die Beamtenregierung ausgenommen. Sie setzen mehr darauf, von der Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler mit der Regierungsarbeit zu profitieren, als ihre persönliche Eignung für das höchste Amt in intellektueller, charakterlicher und erfahrungsmäßiger Hinsicht schlüssig nachzuweisen, also das, was man wissen will, wenn man sich für eine Persönlichkeit entscheiden soll.

Diesbezüglich ließ vieles bis zur Peinlichkeit zu wünschen übrig, da ist es eben einfacher, den starken Mann zu markieren, jederzeit bereit, die Verfassung auszureizen und damit jene österreichischen Seelen anzusprechen, die sich ihre Sehnsucht nach einem solchen nicht austreiben können. Dazu muss man sich selber erst für die Verkörperung des gesamten Volkswillens halten, auch wenn man nur mit 51 Prozent gewählt worden wäre, aber auf Kleinigkeiten kommt es bei solchen schlampig sublimierten Machtfantasien nicht an.

"Wir holen unsere Freiheit zurück"

Erstmalig stammen diesmal gleich drei der Bewerber aus dem ideologischen Genpool Jörg Haiders, ein Andrang, der nur mit der Unfähigkeit Kickls zu erklären ist, Gleichgesinnte zu einem Stahlpakt der Nostalgie zusammenzuschmieden, wo ihnen doch der Hang ins Plebiszitäre gemeinsam ist. Sentimentale Gefühle rief lediglich das Plakat mit Rosenkranz’ wichtigstem Wahlslogan hervor: "Wir holen unsere Freiheit zurück". Bei Putin-Freunden und -Verstehern drängt sich da schon die Frage auf, was sie mit ihrer Freiheit meinen. Die Entlassung der Regierung kann doch nicht alles gewesen sein. Gegen Haider hätte die Kronen Zeitung niemals einen eigenen Kandidaten aufgestellt, sondern mit ihm auf das gesunde Volksempfinden gesetzt.

Rosenkranz musste aus Parteiräson kandidieren, warum es die anderen fünf taten, war im Wahlkampf nicht schlüssig aufzuklären. War es Übermut beim Bier, war es eine redaktionelle Anweisung Dichands? Ein Probelauf für Nationalratswahlen zur Entlassung der Regierung? Nur das wurde klar: Die 6000 Unterschriften samt Unkostenbeitrag für Kandidaten zu reduzieren oder gar aufzuheben wäre kein Gewinn für die Demokratie. Ein solcher wäre es, wenn ÖVP und SPÖ beim nächsten Mal herzeigbare Kandidaten präsentierten. Sie dürfen sich nicht wieder drücken. (Günter Traxler, 7.10.2022)