Jeder solle nach seiner Fasson leben, aber mit der "Regenbogen- und Zebrastreifenhupferei" kann Manfred Haimbuchner nichts anfangen.

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Eine Hirschskulptur mit einem "Weidmannsheil"-Schriftzug auf dem Schreibtisch lässt keine Zweifel am liebsten Hobby von Oberösterreichs FPÖ-Chef. Zum Gespräch auch über die Zusammenarbeit mit der mächtigen ÖVP im Land ordert Manfred Haimbuchner einen kleinen Schwarzen.

STANDARD: Nervt es Sie eigentlich schon, immer der brave Blaue zu sein?

Haimbuchner: Sie sind der Erste und Einzige, der mir diese Frage stellt. Da weiß ich jetzt gar nicht, was ich darauf antworten soll.

STANDARD: Ich helfe Ihnen: Weder auf Bundesebene noch in den Ländern – zuletzt etwa im Zuge der Wahl in Tirol – wollen die Parteien mit der FPÖ zusammenarbeiten. Nur in Oberösterreich scheint es mit Schwarz-Blau zu funktionieren. Warum?

Haimbuchner: Eine Partei lebt von verschiedenen Charakteren. Das ist in der FPÖ nicht anders. Und natürlich ist die oberösterreichische Situation eine andere. Das hat schon auch damit zu tun, dass wir als FPÖ hier auf unterschiedlichen Ebenen immer Verantwortung getragen haben. Wir haben rund 1440 Gemeinderäte – fast so viele wie alle Gemeinderäte der FPÖ in allen anderen Bundesländern zusammen. Aber nochmals, natürlich spielt die persönliche Ebene eine Rolle.

STANDARD: Womit ist man letztlich erfolgreicher – mit angriffigen bis untergriffigen Rundumschlägen im Stil Ihres Parteiobmanns Herbert Kickl oder so wie Sie als Schwiegermutterliebling, der ungern blaue Watschn austeilt?

Haimbuchner: Sie bringen mich langsam zum Schmunzeln. Es hat halt jeder einen anderen Zugang. Ich bin ein überzeugter Rechtsliberaler und in gesellschaftlichen Fragen ein Konservativer. Ich bin der Überzeugung, dass die FPÖ, wenn sie etwas verändern will, bereit sein muss, Mehrheiten zu finden. Ohne eine entsprechende Mehrheitsfindung wird’s schwierig, eigene Vorstellungen umzusetzen. Und es gibt manche in der FPÖ, die die Meinung vertreten, dass man sich in gewissen Fragen zu 100 Prozent durchsetzen kann. So schaut aber das politische Leben nicht aus.

STANDARD: War dies auch der blaue Kardinalfehler in Tirol? Da hat ja die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen.

Haimbuchner: Ich kenne die Gründe in Tirol nicht. Aber persönlich finde ich es durchaus schade, da die FPÖ dort ein gutes Ergebnis erreicht hat. Aber generell muss es uns als FPÖ endlich gelingen, auch breite bürgerliche Schichten anzusprechen, um eine drohende Linkskoalition zu verhindern.

STANDARD: Aber macht man es sich nicht zu leicht, wenn man nur beklagt, dass man aus gegrenzt wird? Wie viel ist da hausgemacht?

Haimbuchner: Natürlich darf man sich auch selber nicht ausgrenzen. Manche leben halt auf politischer Ebene scheinbar gut damit, indem sie sagen: ‚Ich bin gegen das System, und das System redet mit mir nicht.‘ Das ist aber nicht mein Zugang. Ich habe meinen Sessel noch nie vom Verhandlungstisch weggedreht.

STANDARD: Dennoch müssen Sie einerseits der ÖVP in Oberösterreich als Juniorpartner stetig den Bauch pinseln, andererseits gilt es, mit Blick auf die Bundespartei, den Balanceakt zwischen Distanz und Parteigehorsam zu meistern. Wie anstrengend ist das Leben als Polit-Chamäleon?

Haimbuchner: Es gibt viele Begriffe aus dem Tierreich für mich. Ich wurde auch schon einmal mit einem Schaf verglichen. Aber ganz klar: Ich pinsle keine ÖVP-Bäuche und gehe auch nicht auf Distanz zur Bundespartei. Aber natürlich war es vor allem in den letzten Jahren nicht immer leicht. Nehmen wir das Corona-Thema. Das war extrem schwierig für die freiheitliche Partei. Da gibt es in der FPÖ schon manche, die geglaubt haben, bei diesem Thema gibt es nur die eine wahre Linie. Tatsächlich ist aber durch alle politischen Parteien ein Riss gegangen.

STANDARD: Hat es Sie eigentlich gestört, dass ihr Bundesparteichef Herbert Kickl gerne bei den Corona-Demos als Redner aufgetreten ist?

Haimbuchner: Das Demonstrationsrecht ist ein sehr hohes Gut und eine der wichtigsten Möglichkeiten des Bürgers, seinen Unmut zu äußern. Ebenjener Bürger, die nicht in der Regierung, nicht im Parlament sitzen. Als Politiker bin ich hingegen gewählt worden, um Verantwortung zu übernehmen. Es gab genügend Anfragen an mich, ich habe eine Demo-Teilnahme aber immer abgelehnt.

STANDARD: Zumindest in Oberösterreich scheint ihr politischer Zugang zu funktionieren: Zehn Prozent Plus seit der letzten Wahl bescheinigen Umfragen der FPÖ. Quasi gleichauf mit der ÖVP. Durchaus überraschend, da ja auch mit der MFG das Angebot am rechten Rand breiter geworden ist, oder?

Haimbuchner: Diese Bewegung ist ja politisch heute bereits tot. Beunruhigt hat die MFG nur die Nervösen in der Partei – und bin kein Nervöser in der FPÖ. Aber natürlich schaue ich mir gerne eine Umfrage an, die der FPÖ ein Plus von zehn Prozent bescheinigt. Generell bin ich bei Umfragen aber sehr vorsichtig. Dafür bin ich schon zu lange in der Politik.

STANDARD: Sie haben Ihren Klimabonus verlost – weil Politiker ohnehin so viel verdienen?

Haimbuchner: Weil mir das Thema furchtbar auf den Geist geht. Mit diesen 500 Euro werden wir die Teuerung nicht ansatzweise in den Griff bekommen. Es ist nicht nur die Tatsache, dass Asylwerber und selbst Tote den Klimabonus bekommen, die mir auf den Wecker geht. Es ist die Ansicht, dass zuerst der Staat dir das Geld nimmt– der größte Profiteur der Inflation und Teuerung ist ja der Staat selbst–, und dann verteilt er dieses Geld. Diese Almosenmentalität stört mich unglaublich.

STANDARD: Es verwundert mich, dass Sie die jüngsten Grenzkontrollen zur Slowakei kritisieren. Grenzen dicht, keine Migration – das steht doch in der blauen Bibel, oder?

Haimbuchner: Das ist doch eine Alibiaktion. Wo ist da was geschlossen? Mittlerweile kriegen die Asylwerber und illegalen Einwanderer ein Zugticket, und man hofft, dass sie nach Deutschland weiterfahren. Das ist doch der typisch österreichische verlogene Weg. 2015 haben wir die Flüchtlinge mit Bussen quer durch Österreich transportiert. Jetzt macht man es klimafreundlicher – mit der Bahn.

STANDARD: Am Wochenende wird der Bundespräsident gewählt. FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz gibt sich siegessicher und glaubt an eine Stichwahl mit Amtsinhaber Alexander Van der Bellen. Würden Sie darauf wetten?

Haimbuchner: Ich hoffe zumindest auf ein blaues Wunder. (Markus Rohrhofer, 7.10.2022)