Kapitän Andreas Ulmer ist der Ruhepol in der jungen Salzburger Mannschaft. In Zweikämpfen scheut er nicht vor Härte zurück.

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Andreas Ulmer redet nicht, nur damit Andreas Ulmer etwas daherredet. Er ist Kapitän von RB Salzburg, Österreichs Fußballserienmeister. Die Rolle legt der 36-Jährige abgeklärt an, er gilt als Ruhepol. "Man muss nicht groß am Platz herumwinken, ständig Anweisungen brüllen", sagt er. So wie er kommuniziert, spielt er auch: unauffällig, aber effektiv.

Im Heimspiel gegen Dinamo Zagreb erzielte Noah Okafor am Mittwoch das entscheidende 1:0 aus einem Elfmeter. Damit übernahm Salzburg die Führung in der Gruppe E. Ulmer gehört ein großer Anteil des Treffers, er hat den Strafstoß herausgeholt. Den ganzen Abend verteidigte Dinamo in einer kompakten Fünferkette. Die Angriffe der Salzburger schlugen fehl. Mal war der Abschluss zu schlampig, oft war das Stellungsspiel der Kroaten zu gut.

Nicht so in der 68. Minute. Ulmer sah eine ungewohnt große Lücke zwischen Außen- und Innenverteidigung und sprintete in den Strafraum. Nicolas Seiwald sah den genialen Laufweg, sein Zuspiel kam an, da hatte Ulmer seinen Gegenspieler Sadegh Moharrami schon überholt. Der umarmte Ulmer von hinten; eine nette Geste, die der Schiedsrichter mit einem Elfmeter ahndete.

"Das ist im Idealfall mehr als nur ein Geistesblitz vom Andi", sagte Trainer Matthias Jaissle. Seine Philosophie baut auf offensive Außenverteidiger. Ulmer habe "die Box", also den Strafraum, attackiert. Kurz: "Das hat er gut gemacht."

Fast Chuck Norris

Die Partie gegen Dinamo Zagreb war Ulmers 648. Spiel als Profifußballer, das 546. für Salzburg. Eine Karriere, in der er viel erlebt hat: Ulmer spielte einmal eine Halbzeit in einem Dress von RB Leipzig, ohne es zu merken. Ulmer verärgerte einst ÖFB-Teamchef Marcel Koller mit einer Absage für das Nationalteam, weil er zu dem Zeitpunkt seine Partnerin Sarah heiratete. Eine dritte Anekdote klingt wie ein Chuck-Norris-Witz: Ulmer spielte 2008/09 gleich 37 Ligaspiele, obwohl die Saison nur 36 Spieltage hatte.

Ein Kapitän im eigentlichen Sinne muss ein Logbuch schreiben, Patente organisieren, ein Schiff führen. Ulmer ist nicht Christoph Kolumbus und schon gar nicht Florian Silbereisen. Dennoch ist er verantwortlich für seine Crew.

Die Rolle

Ulmer gibt Tipps, erzählen Teamkollegen. Weniger in sportlichen Belangen gemeint, dafür hat RB Salzburg gut bezahlte Fachleute. Vielmehr gibt Ulmer ein Vorbild für eine professionelle Einstellung zum Beruf. Er kümmert sich um die Balance in der Mannschaft, wie er selbst sagt. Eine ausgewogene Stimmung ist wichtig, findet er. Dann könne man Kritik oder härtere Ansprachen auch besser wegstecken.

Ulmer wuchs im Linzer Speckgürtel auf. Sein Vater Gerhard kickte für Voest Linz in der Bundesliga. Sein Bub begann beim SK Asten mit dem Fußballspielen. Mit 14 Jahren wechselte er in die Austria-Akademie, bei den Profis kam er nur viermal zum Einsatz. Im Sommer 2008 wechselte zur SV Ried, schon nach einem halben Jahr holte ihn Salzburg um kolportierte 600.000 Euro.

Wirklich bemerkenswert ist, dass Ulmer auch nach 16 Jahren im Profifußball zum Stammpersonal zählt. Die Auswechslung gegen Dinamo in der Schlussphase begründete Ulmer damit, dass er sogar vor dem Spiel leicht angeschlagen war. Dennoch stand er in einem entscheidenden Champions-League-Duell in der Startelf.

Legende mit Meinung

Wenn Ulmer mit Medien redet, ist er bedacht, abgeklärt, kein Schlagzeilenlieferant. Er hat einen Tick: Beim Sprechen räuspert er sich mehrmals, nur ganz kurz und kaum merkbar, aber so, als ob er seinen Worten noch mehr Ernsthaftigkeit verleihen will. Kollegen beschreiben ihn als ruhigen, bescheidenen Kerl. "Wenn es notwendig ist, sage ich meine Meinung. Deutlich", sagt Ulmer. Seine Erfahrung habe ihm gezeigt, "dass diese dann umso mehr Gewicht hat".

Salzburgs Kapitän ist Rekordspieler im Verein. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Klublegende ist er längst. Am 30. Oktober wird er 37. (Lukas Zahrer, 6.10.2022)