Die Proteste im Iran finden Unterstützerinnen weltweit: Die Frau im Bild zeigte in Barcelona ihre Solidarität.

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Teheran – Der Tod einer weiteren jungen Frau hat bei Unterstützerinnen und Unterstützern der Proteste im Iran für Aufregung gesorgt. Die Leiche der 17-jährigen Nika Shakarami war vergangene Woche nach Polizeiangaben an einem Gebäude in der Stadtmitte Teherans gefunden und zur Gerichtsmedizin gebracht worden. Seitdem gibt es widersprüchliche Aussagen über ihren Tod. In den sozialen Medien sorgte der Fall auch am Donnerstag für Aufregung.

Familienmitglieder erhoben Vorwürfe, die junge Frau sei vom Geheimdienst verhaftet und getötet worden. Die Polizei erklärte dagegen nach Angaben der Nachrichtenagentur Tahsim, Shakarami sei von einem Hochhaus gestürzt und ihre Leiche erst am nächsten Tag von den Nachbarn entdeckt worden. Sie wies zudem Vorwürfe zurück, wonach Shakaramis Tod im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten stehe. Die Gerichtsmedizin habe bei der Obduktion der Leiche keine Schusswunden festgestellt, aber Frakturen, die auf einen Sturz hindeuteten.

SPD-Politikerin twittert Video

Die deutsche SPD-Politikerin Sawsan Chebli twitterte am Donnerstag ein Video, das Shakarami zeigen soll, mit der Mahnung, sie nicht zu vergessen. "#NikaShakarami wurde gefoltert und ist nun tot, weil sie frei leben wollte", schrieb Chebli.

Bei den Protesten gegen die Regierung des im Iran steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International teilte am Donnerstag mit, alleine im Südosten des Landes seien bei der Niederschlagung von Protesten 82 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden, darunter Kinder.

Auslöser der andauernden Demonstrationen war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich "unislamischen Outfits" festgenommen. Sie fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Die Polizei weist Anwürfe zurück, Gewalt angewendet zu haben.

Das Europaparlament hat am Donnerstag klar Stellung bezogen und die Gewalt gegen systemkritische Proteste verurteilt. Die Abgeordneten forderten Strafen für die "Mörder" von Amini. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte einer entsprechenden Resolution am Donnerstag zu, wie das Parlament mitteilte.

Auch Sicherheitskräfte, die an Gewalt gegen Demonstrationen beteiligt gewesen seien, sollten bestraft werden. Die Abgeordneten forderten zudem, eine unparteiische Untersuchung des Todes von Amini und der Vorwürfe von Folter und Misshandlung durch eine unabhängige Stelle zuzulassen.

Abgeordnete schnitt sich Haare ab

Das Parlament spricht von Misshandlung während der Haft. Im Resolutionsentwurf hieß es, Augenzeugen hätten gesehen, wie Amini von der Polizei geschlagen worden sei. Seit dem Tod der jungen Frau demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen die Regierung und das konservative islamische System. Die Vorsitzende der Iran-Delegation des Europäischen Parlaments, Cornelia Ernst, sagte: "Wir werden niemals aufhören, Proteste wie im Iran mit ganzem Herzen zu unterstützen, weil sie gerecht sind."

Während das EU-Parlament am Dienstag eine Debatte zu den Protesten führte, schnitt sich die schwedische Abgeordnete Abir Al-Sahlani aus Solidarität mit den Frauen im Iran Haare am Redepult ab. Zuvor hatte sie gesagt, dass an den Händen der Machthaber im Iran Blut klebe. 50 berühmte französische Schauspielerinnen und Sängerinnen hatten sich ebenfalls die Haare aus Solidarität abgeschnitten.

In Österreich gab es aus Wissenschaftskreisen Solidaritätsbekundungen "mit der Zivilgesellschaft im Iran". Das Institute of Science and Technology Austria, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und die Universitätenkonferenz zeigten sich in einer Aussendung entsetzt über die Ereignisse im Iran. "Die Gewalt gegen Studierende und Lehrende der Sharif University of Technology in Teheran und anderer Universitäten des Landes sowie die Gewalt gegen Demonstrierende im Iran im Allgemeinen wird aufs Schärfste verurteilt", hieß es.

In vielen Fällen seien die Universitäten des Landes der Schauplatz von Protesten der Zivilgesellschaft, hieß es, an einigen Universitäten würden Forschung und Lehre inzwischen ausgesetzt. "Als Vertreter:innen der Wissenschaft setzen wir uns jeden Tag aufs Neue für die Werte von Bildung und Forschung ein: Sie sind universell und sie können nur dort gedeihen, wo ein freier Austausch von Wissen und Meinungen stattfinden kann. In diesen Tagen gilt unsere Solidarität besonders unseren Kolleginnen und Kollegen im Iran und denen mit iranischen Wurzeln." (APA, 6.10.2022)