Die Urologie am AKH hat eine Gefährdungsanzeige verfasst, weil teilweise rund 70 Prozent der eigentlich vorgesehenen Betten gesperrt wurden.

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Wien – Es sind drastische Folgen von Personalnot, die dieser Tage an die Öffentlichkeit drangen: Eine eklatante Reduktion der Spitalsbetten auf nur mehr die Hälfte der eigentlichen Kapazität, teilweise sogar auf rund 30 Prozent. Eine Reduktion der Operationen. Und dass eine adäquate Akutversorgung "nicht mehr gewährleistet" sei. Diese Mängel zählt eine Gefährdungsanzeige der Urologie-Uniklinik am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien auf, die einen "sukzessiven Zerfall der Pflegestrukturen" beschreibt, also einen eklatanten Personalmangel im Bereich der Pflege – der STANDARD berichtete. Seitens des AKH wurden derzeit aufrechte Bettensperren im Ausmaß von rund 50 Prozent bestätigt. Gefährdungsanzeigen sind derzeit einige aufrecht: Rund 50 gebe es, teilte ein Sprecher vom Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Freitag Radio Wien mit. Sie würden mal kleinere, mal größere Missstände beschreiben.

Wie konnte es an der Urologie des AKH zu so eklatanten Engpässten kommen?

Es gebe an der Urologie-Uniklinik "seit längerer Zeit Personalbesetzungsprobleme, weil der ärztliche Leiter der Universitätsklinik für Urologie mit dem Pflegepersonal keine akzeptable Zusammenarbeit findet und sich deswegen mehrere Pflegekräfte innerhalb des AKH Wien versetzen ließen", lautete am Donnerstag ein Teil der Erklärung der Pressesprecherin des AKH. Stadtrat Hacker meint, der Pflegepersonalstand sei im AKH generell relativ hoch, die Abteilung weise aber eine hohe Fluktuation auf. Der Stadtrat kündigte eine Prüfung mittels interner Revision an.

"Größten Respekt vor Pflege"

Der STANDARD konfrontierte den ärztlichen Leiter der Universitätsklinik für Urologie, Shahrokh F. Shariat, mit diesen Vorwürfen. Shariat betonte mit Nachdruck, er habe "größten Respekt vor der Arbeit der Pflege. Ich habe in meinem Studium als Pflegehelfer gearbeitet." Er sehe die Reaktion des Stadtrats auf die Gefährdungsanzeige als Versuch, ihn einzuschüchtern.

Außerdem verweist er auf die Unterschriften unter der Gefährdungsanzeige, um zu verdeutlichen, dass nicht er alleine diese verfasst habe: Sie ist gezeichnet von den Ärzten der Abteilung und einem Anästhesisten. Am 4. Oktober ging sie an leitende Vertreter der Med-Uni, die für die Mediziner am AKH verantwortlich ist, an Führungskräfte des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev), der für das Pflegepersonal am AKH zuständig ist, und an Funktionäre der Ärztekammer. Hier sei noch angemerkt: Shariat ist zwar ärztlicher Leiter der Urologie-Klinik am AKH, das Pflegepersonal untersteht aber der Pflegedienstleitung. Allerdings ist das Arbeitsklima insgesamt natürlich davon abhängig, wie Ärzteschaft und Pflege miteinander umgehen.

Größere Belastungen

Wie erklärt sich Shariat also den besonders großen Pflegepersonalmangel an seiner Klinik? Die Mehrbelastungen seien in den vergangenen Jahren gestiegen, man behandle nicht mehr mehrheitlich Patientinnen mit Nierensteinen oder Patienten mit Prostataproblemen, sondern habe eine massive Zunahme an Personen mit schweren Tumorerkrankungen, sagt Shariat. Das gelte für das gesamte Fach – am AKH Wien, wo besonders schwere Fälle behandelt würden, sei die Belastung von dieser Seite her wohl noch etwas größer.

Shariat sagt, er habe seit Jahren verschiedene Institutionen um Unterstützung für das Pflegepersonal ersucht und auf Probleme aufmerksam gemacht. Er könne eine ganze Mappe an Kommunikation vorlegen, es habe seit 2016 unzählige Telefonate, Nachrichten, Schreiben, Gespräche dazu gegeben. Nun brauche es einen konstruktiven Lösungsversuch.

Ein Teil des Problems sei auch, dass im Zuge der Wiener Spitalsneuausrichtung urologische Abteilungen zusammengelegt wurden, zum Beispiel jene an der Klinik Landstraße aufgelöst wurde, und das den Druck auf die Beschäftigten der verbliebenen Abteilungen zusätzlich erhöht habe. Zur Erinnerung: Auch an der Klinik Favoriten hat die Urologie im Sommer eine Gefährdungsanzeige verfasst.

"Schlechtes Betriebsklima"

Allerdings zeichnet Wolfgang Hofer, Personalvertreter der Gemeindebediensteten am AKH, ein ähnliches Bild wie die Pressesprecherin des AKH: Auch Hofer weiß von einem schon länger existierenden Problem des Pflegemangels an der Urologie-Klinik, "und da ist die medizinische Seite sicher nicht ganz unbeteiligt. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit gestaltet sich schwierig", sagt Hofer.

Der allgemeine Pflegemangel habe zur Folge, dass pflegerisches Personal sich aussuchen könne, wo es arbeite, und jene Abteilungen mit schlechterem Betriebsklima eben wieder verlasse. Zwar seien auch die Belastungen im Fach Urologie gestiegen und am AKH sicher besonders hoch, aber es gebe auch andere Abteilungen, wo das so sei – und dann sei eben "das Umfeld das Zünglein an der Waage".

Neue Gefährdungsanzeige

Nach der Urologie am AKH haben auch die Kinderärzte in der Klinik Floridsdorf eine Gefährdungsanzeige gelegt. Wie die "Kronen Zeitung" am Freitag berichtete, ist in der Gynäkologie und Geburtenstation nur noch eine Art von Notbetrieb möglich. Die Nachsorgeambulanz ist schon gesperrt, bestätigte der Gesundheitsverbund der Zeitung.

Die Gefährdungsanzeige haben die Kinderärzte der Klinik gelegt. Selbst an der Belastungsgrenze, sollen sie laut "Krone" "Crashkurse" belegen, um in der ausgedünnten Neugeborenenabteilung aushelfen zu können. Dort sind von sieben Facharztposten nur fünf besetzt. Dazu kommen Ausfälle durch Krankheit. Ein reguläres Dienstrad ist demnach nicht mehr möglich. (Gudrun Springer, 7.10.2022)