Bild nicht mehr verfügbar.

Der Forscher Galileo Galilei legte sich prominent mit der katholischen Kirche an – und verfasste manch eine Schrift unter Pseudonym.
Foto: Steven Wynn / Getty

Galileo Galilei zählt zu den berühmtesten Wissenschaftern der Welt. Mit dem von ihm konstruierten Fernrohr wurden weit entfernte Himmelskörper wie die nach ihm benannten Jupitermonde erstmals sichtbar, und er erforschte die physikalischen Fallgesetze. Vor allem aber lieferte er Schriften und Beweise für das von Nikolaus Kopernikus proklamierte Weltbild, wonach nicht die Erde, sondern die Sonne das Zentrum des heute als Sonnensystem bekannten kosmischen Gebildes ist.

Die katholische Kirche konnte die Abkehr vom geozentrischen Weltbild nicht gutheißen – und damit auch nicht die öffentlichen Untermauerungen des Galilei, dass sich die Erde um die eigene Achse und um die Sonne drehte. Das Verhältnis des Forschers zur Kirche war offenbar ambivalent. Er sah sich gezwungen, der kopernikanischen Lehre abzuschwören, und wurde dennoch von der Inquisition zu lebenslanger Haft verurteilt.

Am Anfang war die Supernova

Zuvor war der aus dem heute italienischen Pisa stammende Wissenschafter bereits darauf bedacht, der religiösen Autorität gegenüber milder zu klingen, und zensierte etwa seine schriftliche Korrespondenz an einen Freund vor dem Abschicken. Auch ist bekannt, dass Galilei manche Texte nicht unter seinem eigenen Namen verfasste, sondern Pseudonyme nutzte. Zu diesen dürfte "Cecco da Ronchitti" zählen – ein Pamphlet aus dem Jahr 1605 ist mit diesem Namen versehen, darin zieht der Autor über einen Philosophen her, der sich über die Eigenschaften eines Himmelsphänomens äußerte. Gemeint ist ein helles Aufleuchten am Himmel im Jahr 1604, von dem man mittlerweile weiß, dass es sich um eine Supernova handelte – also die Explosion eines Sterns bei dessen Tod.

Bild nicht mehr verfügbar.

Vor der Inquisition: Galilei wurde trotz seines Abschwörens von der kopernikanischen Lehre zu lebenslanger Haft verurteilt.
Bild: ilbusca / Getty

Fachleute gehen davon aus, dass entweder Galilei oder einer seiner Anhänger den Text des "Cecco" verfasste oder sie sogar gemeinsam dafür verantwortlich zeichneten. Zu ihren Lebzeiten war einigen offenbar bereits klar, wer sich hinter dem Namen verbarg.

Gefälschte Schriften

Nun enthüllte ein italienischer Forscher ein weiteres Alias des Universalgelehrten, wie die Universität Venedig berichtet. Matteo Cosci liefert im Rahmen eines Forschungsprojekts, das durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert wurde, den Beweis: Galileo Galilei schrieb auch unter dem Namen "Alimberto Mauri".

Dieser Deckname wurde für eine astronomische Abhandlung ("Considerazioni Astronomiche di Alimberto Mauri") aus dem Jahr 1606 genutzt. In dem Werk – aus einer Zeit, als Galilei noch keine Berühmtheit genoss – werden Ideen aufs Tapet gebracht, die heute selbstverständlich erscheinen: Der Autor vermutet etwa, dass die Mondoberfläche nicht glatt ist, sondern Erhebungen aufweist.

Die historische Spurensuche gestaltete sich alles andere als einfach – schon allein deshalb, weil immer wieder Schriften, die Galilei zugeschrieben wurden, als Fälschungen aufflogen. Fachleute kamen etwa dem berüchtigten Fälscher Tobia Nicotra auf die Schliche, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts Nachahmungen anfertigte. Auch der clevere Betrug des ehemaligen Bibliotheksdirektors Marino Massimo De Caro flog letztendlich auf.

Der verächtliche Gegner

Lange war die Identität des ominösen Alimberto Mauri, der die astronomische Abhandlung schrieb, nicht mit Sicherheit auf Galilei zurückzuführen – obwohl es schon zu dessen Lebzeiten Hinweise darauf gab. Nun spürte der Wissenschafter der Uni Venedig handschriftliche Notizen des berühmten Mathematikers in der Nationalbibliothek in Florenz auf, die bisher offenbar als unwichtig galten und deren Inhalt nicht veröffentlicht wurde – aber die wichtigste Fährte zu Mauri aufzeigten.

Hinter Alimberto Mauri versteckte sich – für seine Zeitgenossen mehr oder weniger offensichtlich – Galileo Galilei.
Foto: Ca' Foscari University of Venice

In den Bemerkungen fühlte sich Galilei offensichtlich attackiert von einem florentinischen Philosophen namens Lodovico Delle Colombe und setzte zu einem schriftlichen Gegenschlag an. Auch dieser Kontrahent hatte die Supernova anders interpretiert als Galilei, und so notierte sich der grollende Pisaner eine Liste an "Textstellen, an denen [Lodovico Delle Colombe] mit Verachtung von mir spricht".

Das Verwunderliche daran: In diesen Passagen kritisiert der Florentiner gar nicht Galilei, sondern Alimberto Mauri. "Die Tatsache, dass Galilei sich persönlich 'angegriffen' fühlte, wann immer Alimberto Mauri in gedruckten Schriften angegriffen wurde, bestätigt, dass Alimberto Mauri sein Alter Ego war", heißt es in der Aussendung der Universität Venedig. Zudem konnte Experte Cosci feststellen, dass der Text Ähnlichkeiten zu diversen anderen Schriften des Galilei aufweist, die ihm sicher zugeschrieben werden.

Die Maske des Mauri

Letztendlich entschied sich Galilei doch dagegen, Delle Colombe öffentlich zu antworten – und zwar, weil dieser seine wertvolle Zeit gar nicht verdiene. Dem Kontrahenten selbst dürfte bewusst gewesen sein, dass sich Galilei hinter dem Decknamen Mauri versteckte. Delle Colombe bezeichnete Galilei beispielsweise mit seinem Pseudonym "Cecco" und als "Herr Maske".

Warum war aber überhaupt ein Deckname nötig? Dies dürfte politische und wirtschaftliche Gründe gehabt haben: Der Forscher wollte wohl aufgrund seines dürftigen Gehalts in Padua, das zur Republik Venedig gehörte, zusätzlich in Rom Gönner finden – auch mithilfe seines Traktats zur Sternbeobachtung. Aufgrund eines diplomatischen Streits zwischen dem Papst in Rom und der Republik Venedig war er jedoch so vorsichtig, die Schrift nicht unter seinem Eigennamen zu veröffentlichen. (Julia Sica, 7.10.2022)