Ferdinand Feldhofer bei der Arbeit: "Ich bin Realist, kein Schönredner."

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Am Sonntag steigt das 337. Wiener Fußball-Derby. Rapid empfängt um 17 Uhr im ausverkauften Allianz-Stadion die Austria. Die Violetten haben am Donnerstag in der Conference League gegen Villarreal 0:5 verloren, sie werden eher nicht vor Selbvertrauen strotzen. Rapid hat allerdings schwierige Zeiten hinter und vermutlich noch vor sich. Auf dem Spielfeld ist etwas Ruhe eingekehrt, im Verein bleibt es turbulent. Trainer Ferdinand Feldhofer hat das Scheitern im Europacup an Vaduz überstanden. Ein Derby-Sieg würde seine Position stärken. Es gilt, eine Serie zu beenden, denn die Austria ist im Allianz-Stadion noch ungeschlagen, sie feierte drei Siege, sechsmal wurde remisiert.

STANDARD: Ergänzen Sie bitte den Satz: Trainer von Rapid zu sein ist ...

Feldhofer: ... eine wunderbare Aufgabe und Herausforderung.

STANDARD: Ernst gemeint?

Feldhofer: Ja. Es war auch immer ein Karriereziel von mir.

STANDARD: Nach dem 1:1 in Salzburg und dem 5:0 in Tirol scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Trauen Sie dem Frieden?

Feldhofer: Erfahrungsgemäß nicht. Ich bin kein Freund davon, nach einem 5:0 eine komplette Saisonanalyse zu machen. Ich bin Realist und kein Schönredner. Wir wissen, wir sind nicht ganz top, aber wir sind weit weg von ganz schlecht. Ja, wir haben Probleme, die sind bei jedem Umbruch logisch. Trotzdem haben wir das angenommen, wir konnten nicht viel trainieren und mussten von Anfang an liefern. Gefühlt war jede Partie ein Champions-League-Finale. Man sollte das nüchtern betrachten und nicht immer gleich himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt sein. Die negative Grundstimmung im Verein ist ja nicht erst seit Vaduz gegeben. Obwohl Vaduz nie hätte passieren dürfen, das ist mir klar.

STANDARD: Wie haben Sie die vergangenen Wochen empfunden, überstanden?

Feldhofer: Nüchtern, ich bin sachlich und ruhig geblieben. Das war nicht nur gespielt, die Mannschaft hat mir extrem geholfen. Man braucht das private Umfeld, die Familie gab mir Rückhalt. Mitarbeiter im Verein unterstützen mich, sie haben mir gute Ratschläge gegeben.

STANDARD: Sie haben also im Stress Ruhe bewahrt. Woher kommt diese Eigenschaft?

Feldhofer: Es kam ja alles nicht so überraschend, ich habe Rapid schon vor zwei Jahrzehnten als Spieler erlebt und solche Situationen durchlebt. Ich weiß, wie in Wien die Mechanismen laufen. Es wäre ein Wunder, wären wir aktuell Erster oder Zweiter.

STANDARD: Gab es Momente, in denen Sie gedacht haben: "Das war’s"? Etwa nach dem Scheitern an Vaduz oder nach dem 1:3 gegen den Wolfsberger AC.

Feldhofer: Nein. Ich hatte das Gefühl, ich kann es herumreißen, wenn man mich lässt. Ich habe keine Sekunde überlegt, den Hut draufzuhauen.

STANDARD: So komisch es klingt: Haben die Turbulenzen im Verein, die Rücktritte des Präsidenten Martin Bruckner und des Wirtschaftsgeschäftsführers Christoph Peschek, Ihren Job sogar gerettet? Oder war es doch Sportchef Zoran Barisic, der an Ihnen festgehalten hat?

Feldhofer: Das ist Spekulation. Hätten sie das Gefühl gehabt, es passt nicht, hätten sie gehandelt, Schritte gesetzt. Es war nicht nur die Entscheidung von Barisic.

STANDARD: Sie sind gut zehn Monate im Amt. Hatten Sie manchmal das Gefühl, im falschen Film zu sein?

Feldhofer: Jein. Es ist vieles anders gekommen, als es geplant war. Von den Abgängen angefangen. Dass wir gegen Vaduz ausscheiden, darf in hundert Jahren nicht passieren. Im Vorjahr ist die Austria an Breidablik aus Island gescheitert, da war praktisch gar nichts. Rapid ist eben extrem, ein anderer Film.

STANDARD: Was bewirken "Feldhofer raus"-Rufe in einem?

Feldhofer: Sie sind nicht angenehm, aber sie sind Teil des Geschäfts.

STANDARD: Werfen Sie sich Fehler vor? Manche Kritiker sagen, es gebe keine Spielkultur, keine Entwicklung.

Feldhofer: Wie gesagt: Es ist nicht alles ganz gut oder ganz schlecht. Wir haben über Phasen gezeigt, dass wir richtig guten Fußball spielen können. Wir haben aber auch gezeigt, dass wir relativ schnell zerfallen und ängstlich agieren. Das ist nicht zuletzt dem Mythos Rapid und dem Druck geschuldet. Manche Spieler drängen sich nicht in den Vordergrund, sie verstecken sich lieber. Da kann man keine Fehler machen. Diese Thematik haben wir, möglicherweise habe ich sie unterschätzt.

STANDARD: Bei Rapid klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Man befindet sich in Geiselhaft der Fans. Auffallend war, dass sich die Mannschaft in den Geisterspielen leichter tat, mehr gepunktet hat.

Feldhofer: Wir spielen natürlich lieber vor vollen Rängen, mit dem dadurch entstehenden Druck muss man einfach positiv umgehen.

STANDARD: Insider behaupten, nach Erfolgen herrsche keine Freude, sondern maximal Erleichterung. Stimmen Sie dem zu?

Feldhofer: Ja, ich will das aber ändern, obwohl es nicht einfach ist. Wir wollen eine Kultur der Freude schaffen. Man darf und muss Siege auch zelebrieren. Zumindest kurz.

STANDARD: Geht bei Rapid die Angst um?

Feldhofer: Der Druck ist enorm. Die Lage im Verein ist unangenehm, niemand weiß, was in eineinhalb Monaten passiert. Keine Ahnung, ob das das neue Präsidium auf Barisic und mich setzt. Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, lasse ich weg. Das war ein Lernprozess, im Alter wird man gescheiter. Das stiehlt nur Zeit. Wir sollten jetzt liefern und das Derby gewinnen.

STANDARD: Ist das Leben als Spieler angenehmer als das des Trainers?

Feldhofer: Nein. Ich habe das eine genossen, genieße jetzt das andere. Zwei Träume sind für mich in Erfüllung gegangen. Ich wiederhole mich: Rapid-Trainer zu sein ist ein Traum. Vielleicht muss man Täler durchschreiten, um Erfolg zu haben. Wenn es nicht läuft, zeigt sich der wahre Charakter. Du musst menschlich und sachlich bleiben. Die Kunst ist es, zu erkennen, was die Mannschaft braucht.

STANDARD: Braucht Rapid Entschleunigung?

Feldhofer: Ja, ich bin deshalb geholt worden. Wir vollziehen den Umbruch, werden Rückschläge erleiden, hat es in der Theorie geheißen. Nur akzeptiert es keiner. Fußball ist ein Ergebnissport. Aber die Entwicklung dauert.

STANDARD: Sobald ein Spieler gaberln kann, wechselt er ins Ausland.

Feldhofer: Ich kann das nicht beeinflussen, deshalb will ich darüber nicht reden.

STANDARD: Am Sonntag ist Wiener Derby. Rapid hat noch nie im Allianz-Stadion gegen die Austria gewonnen. Was spricht dafür, dass diese Serie im zehnten Anlauf reißt?

Feldhofer: Irgendwann reißt jede Serie. Wir haben Selbstvertrauen, es ist das Spiel der Spiele. Volles Haus, ein absolutes Highlight. Dieser Sieg würde mehr zählen. Aber die Wiener Austria kann jedem Gegner wehtun, Trainer Manfred Schmid trifft viele richtige Entscheidungen.

STANDARD: Und falls die Serie nicht reißt?

Feldhofer: So denke ich nicht. (Christian Hackl, 8.10.2022)