In der Oper "La Liberazione" wird auch versucht, Heiterkeit zu verbreuten.

Foto: Herwig Prammer

Wäre nicht Stefan Herheim Intendant des Theaters an der Wien geworden, säße nun womöglich Dirigent Teodor Currentzis in der Donaustadt und würde zusammen mit dem jetzigen Intendanten der Salzburger Osterfestspiele, Nikolaus Bachler, Programme gestalten. Eine durchaus (aber mittlerweile nicht nur künstlerisch) spannende Angelegenheit wäre dies geworden.

Den Norweger Herheim an Wien gebunden zu haben ist allerdings ein ebenso spektakulärer Personalcoup. Einer der essenziellsten Regisseure der Gegenwart, der in der Donaustadt seit seinem internationalen Durchbruch (vor allem in Bayreuth) peinlicherweise keinen Regieauftrag bekam, außer einer "Madama Butterfly" an der Volksoper (vor dem echten Durchbruch allerdings), wird im Museumsquartier demnächst Janáčeks Schlaues Füchslein inszenieren. Das Theater an der Wien wird ja generalsaniert.

Vom Kriegerischen

Natürlich kann ein regieführender Intendant nicht alles selbst umsetzen. In der Wiener Kammeroper, dem kleineren Raum des Projekts "Musiktheater an der Wien", lädt denn auch die italienische Regisseurin Ilaria Lanzino bei der ersten Produktion der Herheim-Ära ein, unter Panzerketten und zahllosen Panzerrohren (Bühne: Martin Hickmann) einer emotionalen Konfliktoper beizuwohnen. Zwei Figuren sind zentral, es sind Fee Alcina und Ritter Ruggiero.

Das martialische Bühnenbild macht bei La Liberazione von Francesca Caccini (1587–1640) zuerst einigen Effekt. Einen Kontrast erzeugt man mit der an der Commedia dell’Arte orientierten Art, die Figuren zu gestalten – leider eine etwas vergebliche Mühe in diesem martialischen ambiente.

Die Regie macht die Sache zwar präzise und intensiv. Manches wirkt zwar etwas gar deftig aufgetragen, wenn etwa die dritte zentrale Figur, Melissa, mit ihren blutbefleckten Händen herumstolziert und Ruggiero zu manipulieren versucht. In Summe wurde aber versucht, Eindringlichkeit herzustellen.

Emotionaler Gehalt

Eines bleibt allerdings schade: In dem ohnedies schon kleinen Raum raubt das klobige Panzerambiente offenbar jede Gelegenheit, hin und wieder atmosphärisch stark in eine hellere Sphäre zu wechseln. In Caccinis Werk hätte es etwas für das Illusionäre, Verträumte Raum gegeben.

Plausibel und den emotionalen Gehalt verdichtend war hingegen die Entscheidung, in das Werk, das rezitativisch angelegt ist, Madrigale zu implantieren. Deren polyfoner Schwebecharakter, die emphatische Bewegtheit der Linien verleihen dem barocken Fundstück Flügel. Und auch wenn es der kollektiven Vokalleistung etwas an Ausgewogenheit mangelte, klang es bewegend und eindringlich.

Überragend im solistischen Bereich Sara Gouzy (als Alcina). Mit vibratoloser Klarheit und der richtigen Dosis an vokaler Lyrik umschwirrte sie den respektablen Krešimir Stražanac (als Ruggiero). Mit herber Dominanz mischte sich hier Luciana Mancini (als Melissa) ins Geschehen. Sehr markant schließlich das La Folia Barockorchester, welches unter Clemens Flick einen dichten Sound erzeugte und Pointen der erdigen Art setzte. Es gab Jubel.
(Ljubiša Tošic, 8.10.2022)