Dzaviza unterwegs in Griechenland.

Foto: Sparta Photography Club

Auf den letzten Metern.

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Fußvergleich mit der Leonidas-Statue in Sparta.

Foto: Egon Theiner

Dzaviza mit der Beute.

Foto: Egon Theiner

Eine Reminiszenz an ihre Kolleginnen und Kollegen vom Ultralaufteam Heustadlwasser.

Bock auf ein ausgedehntes Lauferlebnis? Beim Spartathlon von Athen über 246 Kilometer nach Sparta etwa können sich leidenschaftliche Jogging-Aficionados so richtig austoben. Bis zu 36 Stunden lang, allerdings erst 2023 wieder. Die Veranstaltung in diesem Jahr ist nämlich bereits Geschichte. Ein gutes Stück davon schrieb gewissermaßen Diana Dzaviza, die ihren Coup aus dem Vorjahr wiederholte und diesen Ultralauf erneut gewann, obwohl mit Camille Herron die weltbeste Ultraläuferin am Start stand.

Angetrieben von der Konkurrentin aus den USA hat die in Wien lebende Lettin vom Ultralaufteam Heustadlwasser ihre Siegerzeit von 2021 um rund 20 Minuten unterboten und in 25:03,41 Stunden die zweitbeste Zeit einer Frau bei dem seit 1983 veranstalteten Bewerb erzielt, obwohl die Bedingungen heuer alles andere als optimal waren.

Und wer weiß, vielleicht wäre die 35-Jährige nicht so flott gelaufen, hätte sie ihr Zwei-Mann-Betreuerteam unterwegs von der Aufgabe der Favoritin unterrichtet. "Ich dachte das ganze Rennen, dass sie mich verfolgt", sagt Dzaviza nach ihrer Rückkehr aus Griechenland. "Es war ein megaschwieriger Lauf, sehr anstrengend." Es sei bereits in der Früh heiß und schwül gewesen. Deshalb sei sie mit Eis auf der Brust und unter der Kappe gelaufen.

Herron verzichtete auf derartige Kühlung und gab bei einer Verpflegungsstation nach 93 Kilometern auf, kurz nachdem sie beinahe von einem wendenden Klein-Lkw gerammt worden war. Der Vorfall "schien mir den Wind aus meinem Segel zu nehmen", schrieb die mehrfache Weltrekordlerin auf Facebook. Sie sei aufgewühlt gewesen und habe das Laufen nicht mehr genießen können. Dzaviza vermutet, dass sie durch ihre vielen Starts auch ausgebrannt war. Ein Indiz dafür war vielleicht auch, dass die US-Amerikanerin unterwegs eine Abzweigung übersehen und erst nach Zurufen von Dzaviza den richtigen Weg eingeschlagen hatte.

Alles Kopfsache

Dzaviza hatte diesmal mehr als gewöhnlich zu kämpfen: "Eigentlich war ich schon nach 100 Kilometern ziemlich platt, körperlich am Ende." Aber sie machte weiter, angetrieben von der vermeintlich hinter ihr laufenden Herron, von ihrem "super Team" und von ihren zahlreichen griechischen Fans, und vergaß nicht, sich bei den Verpflegungsstationen regelmäßig Eis mitzunehmen. "Ich habe durch die Erwartungen der Menschen extra Druck gespürt, habe den Lauf mit der Erfahrung aus 2021 verknüpft und versucht, so gut es geht, an nichts anderes zu denken. Ich bin eigentlich nur mit dem Kopf gelaufen. Es war ein toller Lauf, weil ich wirklich alles gegeben habe. Ich bin über die Grenzen gegangen, habe meinen Körper überfordert, mit der Kraft der Gedanken und mentaler Stärke, die in mir steckt."

Mit Spaß bei der Sache.
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Hernach konnte sie allerdings nicht wie vergangenes Jahr in Sparta herumlaufen und andere anfeuern. "Ich lag im Bett." Ein paar Tage danach spürte sie die Strapazen noch als Muskelkater. "Ich habe meine Beine richtig kaputt gemacht", sagt sie. Nun aber sei wieder alles gut, sie fühle sich nur noch ein bisschen müde.

Dennoch sei es letztlich ein Genusslauf für sie gewesen, "auch wenn ich mich ein paar Mal gefragt habe, warum ich mir das antue". Aber sie wollte die Atmosphäre auf den griechischen Straßen und die Menschen wieder erleben. "In dem Moment, wo ich das Laufen nicht mehr genieße, steige ich aus. Das Laufen soll mich glücklich machen, sonst macht es keinen Sinn", sagt sie.

Verhängnisvolle Feigen

Viele Läuferinnen und Läufer seien wegen Magenproblemen ausgestiegen. Dzaviza hat unterwegs auf Gels und isotonische Getränke gesetzt, auch "ganz viel auf Reis, weil er den Körper von innen kühlt". Dabei stand ihre Teilnahme wenige Tage vor dem Start auf der Kippe, weil sie etwas zu viel Feigen gegessen und die verdauungsfördernde Wirkung unterschätzt hatte. "Es kann sein, dass das auch ein Grund war, warum es mir nicht so gut ging. Ich war leer." Mit Pizza und Reis aber habe sie das Problem zwei Tage vor dem Rennen in den Griff bekommen.

Hohe Ausfallsrate

Die Ausfallsrate lag bei rund 50 Prozent. Von 389 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kamen 192 ins Ziel. Die zweitplatzierte US-Amerikanerin Marisa Lizak verlor auf Dzaviza knapp mehr als eine halbe Stunde. Für die Rekordzeit hatte die Polin Patrycja Bereznowska 2017 (24:48,18 Stunden) gesorgt, sie war damit rund eine Viertelstunde früher im Ziel als Dzaviza 2022.

Mit ihrem Tempo setzt die Lettin auch vielen Männern zu. Waren 2021 nur sechs schneller als sie, so waren es heuer gar nur mehr fünf. Den Sieg holte sich der Grieche Fotis Zisimpopoulos in 21:00,59 Stunden. Rekordhalter ist sein Landsmann Yiannis Kouros (20:50 Stunden, 1984).

"Die Diana kommt!"

Dass Dzaviza mit den Männern mithalten kann oder sogar schneller als die meisten ist, hat für sie keine Bedeutung, für die Männer jedoch sehr wohl. "Lustigerweise hatte der starke Tscheche Radek Brunner, der heuer das erste Mal nicht am Podium stand und Fünfter wurde, richtig Angst vor mir. Sein Betreuer hat mir erzählt, dass er ihm immer wieder zugerufen hat: Die Diana kommt, die Diana kommt! Und er hat sich beeilt, damit ich ihn nicht einhole", erzählt Dzaviza. Brunner wurde letztlich in 24:30,30 Stunden mit rund 33 Minuten Vorsprung auf Dzaviza Fünfter, sein Landsmann Jiri Horcicka (25:11,11) landete 2021 knapp vor, diesmal knapp hinter Dzaviza.

Dzaviza (rechts) ist bei den Ultraläufen schneller als die meisten Männer unterwegs.
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Bei ihrer Generalprobe für den Spartathlon hat sie bereits ihre Form unter Beweis gestellt, als sie bei den World Master Athletics in Bernau bei Berlin den 100-Kilometer-Lauf in 7:53,16 Stunden gewann und zur Weltmeisterin in der Klasse der über 35-Jährigen avancierte.

Fitness- und Gesundheitstrainerin

Weil die bislang in der Datenverarbeitung Vollzeitbeschäftigte aber nicht rennt, um vor etwas wegzulaufen, sondern um zu finden, hat sie sich überlegt, was sie abseits des Laufens glücklich machen könnte, und ist fündig geworden. Nach einer Ausbildung zur Fitnesstrainerin ist sie seit vergangener Woche selbstständig, zudem bildet sie sich als Lauf- und Mentaltrainerin weiter.

Da Starts bei Ultralaufveranstaltungen wegen Flug-, Hotel-, Start- und Betreuungskosten locker vierstellige Beträge verschlingen, schätzt Dzaviza die Unterstützung der US-Firma Coros und des deutschen Unternehmens Medivid. Als Siegerin erspart sie sich beim nächsten Antreten immerhin das Startgeld von 700 Euro.

Preisgeld gibt es beim Spartathlon nicht zu gewinnen. Bei der Non-Profit-Veranstaltung werden lediglich Trophäen vergeben. Nichtsdestotrotz will sie 2023 wieder an den Start gehen.

Ihre Pokale hat sie aus der Wohnung geräumt. Eine Sportseite einer sehr beliebten Tageszeitung mit einem Porträt über "die Kilometerfresserin aus Wien" vom 8. Oktober 2021 hängt an einer Wand. (Thomas Hirner, 10.10.2022)