Zweiter WM-Titel für den Red-Bull-Piloten.

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Ein Weltmeister im Regen.

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Ein Safety Car im Regen.

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Dass der Weltmeistertitel 2022 an Max Verstappen gehen würde, stand schon vor dem Grand Prix von Japan am Sonntag in Suzuka außer Frage. Nur der Zeitpunkt der Krönung war ungewiss. Fünf Rennen standen vor dem Start auf der Traditionsstrecke südwestlich der Großstadt Nagoya noch aus, immerhin konnte es der 25-jährige Champion erstmals im laufenden Titelrennen aus eigener Kraft schaffen – mit seinem zwölften Saisonsieg samt Zusatzpunkt für die schnellste Runde.

Die so schön einfache Rechnung wurde allerdings auch wetterbedingt über den Haufen geworfen. Wie schon am ersten Trainingstag, dem ein trockener Qualifying-Samstag samt Bestzeit und also Poleposition für Verstappen folgte, regnete es am Sonntag.

Alarm in der Gischt

Das Comeback des Großen Preises von Japan nach zweijähriger Corona-Pause hätte dann ganz leicht gleich in eine Tragödie münden können. Die Teams hatten sich fast geschlossen gegen Regenreifen entschieden. Der Spanier Carlos Sainz drehte sich mit den Intermediates am Ferrari von der Strecke in die Bande, während der folgenden Safety-Car-Phase fuhr ein Bergungsfahrzeug auf die Strecke – bei stärker werdendem Niederschlag und schwindender Sicht ein potenziell verheerender Fehler.

"Das ist inakzeptabel, das kann ich nicht fassen", wetterte Alpha-Tauri-Pilot Pierre Gasly nach dem Abbruch via Boxenfunk. "Ich hätte mich umbringen können." Die Empörung des Franzosen war verständlich, starb doch sein Freund und Landsmann Jules Bianchi 2014, einige Monate nachdem er bei ähnlichen Bedingungen in Suzuka mit einem Bergungsfahrzeug kollidiert war, an seinen dabei erlittenen Kopfverletzungen.

Geänderte Vorzeichen

Die Diskussionen an der Strecke nahmen mit der Unterbrechung bald eine neue Richtung, schließlich hatte sich die Ausgangslage verändert. Verstappen hatte sich schon damit abgefunden, nicht im Heimatland seines Motorenlieferanten Honda zu feiern, als das Rennen nach einer mehr als zweistündigen Regenpause doch fortgesetzt wurde.

Hinter dem Safety-Car und mit Regenreifen gab es bei verbesserten Witterungsverhältnissen mit etwa 40 Minuten Restzeit einen rollenden Start. Zu diesem Zeitpunkt standen wegen der geringen Renndistanz maximal halbe Punkte in Aussicht und damit gute Chancen für Verstappens Verfolger Charles Leclerc im Ferrari, die WM-Entscheidung noch hinauszuzögern. Nach wenigen Runden kam es zum großen Wechsel auf Intermediates, Verstappen verteidigte seine Führung souverän vor Leclerc. In der Folge drehten die Fahrer ohne große Zwischenfälle ihre Runden, Verstappen baute seinen Vorsprung mühelos aus – sein 32. Rennsieg versprach ganz leicht zu werden.

Hinter dem Primus der Szene gab es kaum Überholmanöver, aber in der drittletzten Kurve hetzte Verstappens Teamkollege Sergio Perez Leclerc in einen Fehler. Der Monegasse musste die letzte Schikane vor der Zieldurchfahrt abkürzen, um vorne zu bleiben, kam als Zweiter an, kassierte aber prompt eine Fünf-Sekunden-Strafe.

Regel und Auslegung

Auch als Dritter wäre er im WM-Rennen geblieben, hätten die zuständigen Funktionäre des Weltverbandes Fia nicht völlig überraschend entschieden, volle Punkte zu vergeben, obwohl das Rennen nur ganz knapp über die Halbdistanz von 28 Runden gegangen war. Die Regel, dass für volle Punkte zumindest drei Viertel der Umläufe zu absolvieren sind, gelte nur für komplett abgebrochene, nicht auf der Strecke beendete Rennen, ließ allerdings die Fia wissen.

Das freute auch Nicholas Latifi mächtig. Der Kanadier, bis dahin als einziger Pilot noch ohne Saisonpunkt geblieben, bekam für seinen neunten Platz im Williams damit zwei Zähler statt bloß einen Punkt.

Die Entscheidung der Fia hatte alle überrascht, natürlich auch Verstappen, nachdem er aus seinem Boliden geklettert war. "Nach dem ersten Interview kam jemand von der Fia zu mir und hat gesagt, dass ich Weltmeister bin. Weil Charles eine Strafe bekommen hat", sagte der Champion, nachdem er seine Crew geherzt hatte. "Wir haben die Übersicht verloren, aber es ist wurscht, wir sind Weltmeister", sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko, der sich erst während der Siegerehrung durch eine Einblendung richtig ins Bild gesetzt sah.

Sowieso hochverdient

Teamchef Christian Horner bewertete schon das Große und Ganze: "Max hat das absolut verdient. Er ist unglaublich gefahren, nicht nur heute, die gesamte Saison herausragend." Die Zeichen, dass der Weltmeister auch den Rekord an Rennsiegen noch an sich reißt, stehen gut. Michael Schumacher (2004) und Sebastian Vettel (2013) hatten es jeweils auf 13 Erfolge in einer Saison gebracht, allerdings bei nur 18 bzw. 19 Rennen.

In zwei Wochen in Austin, Texas, kann Red Bull jedenfalls auch in der Konstrukteurswertung den Sack schließen, es wäre der fünfte einschlägige Triumph nach dem sechsten Fahrer-Titel für den Rennstall von Dietrich Mateschitz. Allerdings könnte schon heute im schlechtesten Fall der erste Fahrertitel von Verstappen wieder abhandenkommen. Die Fia veröffentlicht mit Verspätung die Ergebnisse der Budgetprüfungen für die Saison 2021. Gerüchten nach sollen Red Bull und Aston Martin die Budgetobergrenze überschritten haben. Bei Red Bull Racing war man entrüstet. Man sei "zu 100 Prozent" davon überzeugt, den Budgetdeckel von knapp 150 Millionen Dollar nicht überschritten zu haben. Teamchef Horner drohte mit Klagen. (Sigi Lützow, 9.10.2022)

Endstand Grand-Prix von Japan am Sonntag in Suzuka:
53 Runden zu je 5,807 km = 307,471 km (28 Runden gefahren)

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 3:01:44,004
2. Sergio Perez (MEX) Red Bull +27,066
3. Charles Leclerc (MON) Ferrari +31,763
4. Esteban Ocon (FRA) Alpine +39,685
5. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +40,326
6. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin +46,358
7. Fernando Alonso (ESP) Alpine +46,369
8. George Russell (GBR) Mercedes +47,661
9. Nicholas Latifi (CAN) Williams +1:10,143
10. Lando Norris (GBR) McLaren +1:10,782
11. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren +1:12,877
12. Lance Stroll (CAN) Aston Martin +1:13,904
13. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri +1:15,599
14. Kevin Magnussen (DEN) Haas +1:26,016
15. Valtteri Bottas (FIN) Alfa Romeo +1:26,496
16. Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo +1:27,043
17. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri +1:28,091
18. Mick Schumacher (GER) Haas +1:32,523

Ausgeschieden: Alexander Albon (THA) Williams, Carlos Sainz (ESP) Ferrari

Schnellste Runde: Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo in der 20. Runde in 1:44,411 (Schnitt: 200,220 km/h)

WM-Stand (nach 18 von 22 Rennen):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 366
2. Sergio Perez (MEX) Red Bull 253
3. Charles Leclerc (MON) Ferrari 252
4. George Russell (GBR) Mercedes 207
5. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 202
6. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 180
7. Lando Norris (GBR) McLaren 101
8. Esteban Ocon (FRA) Alpine 78
9. Fernando Alonso (ESP) Alpine 65
10. Valtteri Bottas (FIN) Alfa Romeo 46
11. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin 32
12. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren 29
13. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri 23
14. Kevin Magnussen (DEN) Haas 22
15. Lance Stroll (CAN) Aston Martin 13
16. Mick Schumacher (GER) Haas 12
17. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri 11
18. Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo 6
19. Alexander Albon (THA) Williams 4
20. Nicholas Latifi (CAN) Williams 2
21. Nyck De Vries (NED) Williams 2

Konstrukteurs-WM (nach 18 von 22 Rennen):

1. Red Bull 619
2. Ferrari 454
3. Mercedes 387
4. Alpine 143
5. McLaren 130
6. Alfa Romeo 52
7. Aston Martin 45
8. Haas 34
9. AlphaTauri 34
10. Williams 8

Nächstes Rennen: Grand Prix der USA in Austin am 23. Oktober