Der Wahlsieger Stephan Weil gab sich schon Samstagabend bei seiner Abschlussveranstaltung siegessicher.

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Nicht nur in der niedersächsischen Hauptstadt Hannover, sondern auch in Berlin waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten am Sonntagabend erleichtert. In Niedersachsen, bei der letzten deutschen Landtagswahl in diesem Jahr, konnte die SPD ihre Position auf Platz eins behaupten.

Zwar lag sie ersten Hochrechnungen zufolge vier Punkte unter dem Ergebnis von 2017, damals hatte sie 36,9 Prozent erreicht. Doch die Partei von Ministerpräsident Stephan Weil wurde nicht von der CDU überholt.

Schon in Umfragen war die SPD vor der CDU gelegen, Weil konnte außerdem im Wahlkampf die besseren persönlichen Umfragewerte vorweisen als sein Herausforderer Bernd Althusmann von der CDU.

Mit ihm hat Weil in der vergangenen Legislaturperiode eine große Koalition gebildet, Althusmann war Wirtschaftsminister. Zusammengefunden hatten SPD und CDU in Hannover allerdings nur, weil es 2017 für das bisherige rot-grüne Bündnis nicht mehr gereicht hatte.

"Kein schönes Ergebnis" für die CDU

Verluste von rund fünf Punkten musste auch die CDU hinnehmen, die 2017 noch 33,6 Prozent erreicht hatte. Althusmann hatte vor der Wahl erklärt, er wolle weiterhin in Niedersachsen eine große Koalition, aber nach der Wahl eben unter Führung der CDU. "Das ist für uns kein schönes Ergebnis", sagte Mario Czaja, der Generalsekretär der Bundes-CDU, am Abend über das Wahlergebnis.

Rechnerisch ist nun eine Fortführung der SPD-CDU-Koalition möglich. Die SPD mit Ministerpräsident Weil möchte aber lieber wieder mit den Grünen regieren. Nach ersten Prognosen ist ein solches Bündnis möglich, es hätte aber nur eine knappe Mehrheit. Doch kurz nach Schließung der Wahllokale gab es bei SPD und Grünen Stimmen dafür.
Die Grünen zählen zu den Gewinnern in Niedersachsen, wo am Sonntag sechs Millionen Menschen wahlberechtigt waren. Sie kamen von 8,7 auf rund 14,3 Prozent.

AfD sammelt Protest

Stark zulegen konnte auch die AfD und damit ihr Ergebnis von 2017 – nämlich 6,2 Prozent – nahezu verdoppeln. Bei den bisherigen Landtagswahlen des Jahres 2022 hatte sie schlecht abgeschnitten. Sowohl im Saarland als auch in Nordrhein-Westfalen hatte sie verloren, in Schleswig-Holstein war sie gleich aus dem Landtag geflogen.

Ein Grund war der offen ausgetragene Streit an der Spitze der Partei. Doch der AfD war auch ihr Hauptthema – nämlich die große Anzahl von Geflüchteten, die nach Deutschland wollten – abhandengekommen. Nun aber wähnt sich die AfD zurück auf der Siegerstraße. Sie will den Protest der Unzufriedenen bündeln – jener, die mit der Energiepolitik der Regierung nicht einverstanden sind und die Angst haben, dass die Inflation ihren Lohn wegfrisst.

Am Samstag kamen zu einer AfD-Demo unter dem Motto: "Unser Land zuerst" 8.000 Anhängerinnen und Anhänger der Partei aus ganz Deutschland nach Berlin. Bundeschef Tino Chrupalla forderte, die zerstörte Gaspipeline Nord Stream 1 zu reparieren und sie, gemeinsam mit Nord Stream 2, in Betrieb zu nehmen.

Teuerung beunruhigt

Die Wahl in Niedersachsen war überschattet von den Themen Energieversorgung und -verteuerung. Laut dem ARD-Deutschland-Trend von Infratest Dimap haben derzeit nur elf Prozent der Deutschen Anlass, zuversichtlich in die Zukunft zu sehen. 85 Prozent sind beunruhigt. Im Deutschland-Trend ist das ein historischer Tiefstand.

Gesunken ist auch die Zufriedenheit mit der Bundesregierung. Nur noch 29 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit der Koalition aus SPD, Grünen und FDP zufrieden. Das schlägt sich auch in den Umfragewerten nieder. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, hätte die Ampelregierung keine Mehrheit mehr.

Den Frust bekam in Niedersachsen die FDP ab. Laut Hochrechnungen der TV-Sender ARD und ZDF rutschte sie unter die Fünf-Prozent-Marke. Beide Sender sahen die Liberalen bei 4,9 Prozent. Nicht in das Landesparlament einziehen kann die Linkspartei. Sie blieb unter der Fünf-Prozent-Hürde. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.10.2022)