Der Wirtschaftsnobelpreis, der streng genommen kein echter Nobelpreis ist, ging an drei US-Wissenschafter für ihre Forschung zu Banken und Finanzkrisen.

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Stockholm – Sonderlich hohes Ansehen genossen Wirtschaftswissenschaften bei Alfred Nobel augenscheinlich nicht: "Ich habe keine Wirtschaftsausbildung und hasse sie von Herzen", schrieb er einst in einem Brief, der im Jahr 2001 an die Öffentlichkeit gelangte. Dennoch gibt es seit 1968 den "Preis der schwedischen Zentralbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel" – den sogenannten Wirtschaftsnobelpreis.

Heuer geht dieser mit Ex-US-Notenbankchef Ben Bernanke (Brooklings Institute) und den beiden US-Ökonomen Douglas Diamond (University of Chicago) und Philip Dybvig (Washington University) an drei Experten aus dem Bankenbereich. Das gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag zum Abschluss der diesjährigen Nobelpreis-Vergaben bekannt. Sie erhalten die Auszeichnung aufgrund ihrer Forschung zu Banken und Finanzkrisen.

Die Preisträger hätten das Verständnis der Rolle von Banken speziell während Finanzkrisen erheblich verbessert, heißt es vonseiten der Akademie. Eine wichtige Erkenntnis aus ihren Forschungen sei, warum es so wichtig ist, Bankenzusammenbrüche zu vermeiden. "Ihre Analysen waren von großer praktischer Bedeutung für die Regulierung der Finanzmärkte und die Bewältigung von Finanzkrisen." Ihre Forschung verringere "das Risiko, dass sich Finanzkrisen zu langfristigen Depressionen mit schwerwiegenden Folgen für die Gesellschaft entwickeln".

Problem Vertrauensverlust

"Finanzkrisen werden verstärkt, wenn Menschen Vertrauen in die Stabilität des Systems verlieren. Das passiert vor allem dann, wenn in kurzer Zeit viel Unerwartetes passiert", sagte Douglas Diamond, kurz nachdem der Anruf aus Stockholm gekommen war. "Mit diesem Anstieg der Inflation hat zum Beispiel niemand gerechnet, das beängstigt die Menschen." Er sei jedoch überzeugt, dass die Zentralbanken es schaffen würden, die Teuerung in den Griff zu bekommen. Außerdem ist ihm zufolge der Bankensektor aktuell gut aufgestellt und das System nach der US-Banken- und Weltfinanzkrise 2008 viel resilienter geworden. Man habe viel daraus gelernt, und das Reglement sei entsprechend angepasst worden.

Vor allem Ben Bernanke dürfte die vergangene Finanzkrise noch gut in Erinnerung sein. Er stand von 2006 bis 2014 der wichtigsten Zentralbank der Welt, der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed), vor. In seiner Amtszeit richteten die Fed und andere Notenbanken ihre Geldpolitik völlig neu aus. Als Forscher beschäftigte er sich intensiv mit der Finanzkrise der Dreißigerjahre. Diamond und Dybvig wiederum entwickelten theoretische Modelle, die zeigen, warum Banken existieren und warum ihre Rolle in der Gesellschaft sie anfällig für Gerüchte über einen möglichen bevorstehenden Zusammenbruch macht.

Bank-Runs

In ihrer Forschung befassen sich die drei Wissenschafter mit der Rolle von Banken in Krisenzeiten und sogenannten Bank-Runs. Dabei stürmen Kundinnen und Kunden wortwörtlich die Banken, um überdurchschnittlich viel Bargeld abzuheben. Üblicherweise wollen Menschen über den Großteil oder sogar ihr gesamtes auf der Bank deponiertes Vermögen verfügen. Anhand statistischer Analysen zeigt Bernanke, wie Bank-Runs dazu führen, dass Geldinstitute zusammenbrechen und Krisen verlängern. Der ganze Finanzsektor würde durch Bank-Runs gefährdet, dieser Dynamik lasse sich jedoch vorbeugen, wenn der Staat als letzte Instanz zum Darlehensgeber wird.

Kein echter Nobelpreis

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist der einzige, der nicht auf das Testament von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833–1896) zurückgeht. Er wird seit Ende der 1960er-Jahre von der schwedischen Reichsbank gestiftet und zählt somit streng genommen nicht zu den Nobelpreisen. Dennoch wird er ebenso wie die weiteren Nobelpreise an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, überreicht.

Mit dem Preis ausgezeichnet wurden bisher besonders häufig Wissenschafter aus den USA. Vergangenes Jahr waren etwa die in den USA forschenden Ökonomen David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens geehrt worden.

Bisher ein Österreicher mit Wirtschaftsnobelpreis

Seit der ersten Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises war erst ein Österreicher unter den Preisträgern: Der liberale Ökonom Friedrich August von Hayek erhielt 1974 den Preis gemeinsam mit dem Schweden Gunnar Myrdal für Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie.

Bereits in der vergangenen Woche waren die Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden bekanntgegeben worden. Dotiert sind alle Nobelpreise in diesem Jahr erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen, umgerechnet 920.000 Euro. (Andreas Danzer, APA, 10.10.2022)