Die Preisbildung bei Kunst ist schwer vergleichbar und intransparent. Das ermöglicht Geldwäsche.

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Kunsthandel war seit jeher anfällig für geldwäschegeneigte Geschäfte: Anders als Schweinebäuche oder ATX-Werte gibt es für Kunst keine vergleichbaren Marktpreise; die Preisbildung ist emotional und intransparent. Preise können durch Absprachen hochgetrieben, Verkäufe überfakturiert werden. Bis zur Umsetzung der fünften EU-Geldwäscherichtlinie 2020 waren Versteigerungshäuser, Galeristen und andere Kunsthandelsplätze weitgehend unreguliert und nicht zur Know-Your-Customer-Identifizierung (KYC) und anderen Maßnahmen verpflichtet; Käufer und Verkäufer kannten einander nicht, Verkäufer bleiben meist anonym. Kunstwerke sind leicht transportabel. Befinden sie sich in einem Zollfreilager, genügt zur Übertragung eine Besitzanweisung, also eine Anweisung des bisherigen Eigentümers, eine Sache künftig für einen neuen Eigentümer (den Käufer) innezuhaben.

Diese Grundsätze sind auf die digitale Welt übertragbar: NFTs sind auf der Blockchain gespeicherte Besitznachweise, die etwa auf ebenfalls dezentral gespeicherte digitale Kunstwerke verweisen. Das kann zum Beispiel ein originäres Kunstwerk sein (vermutlich jeder kennt die Bored-Ape-Affenporträts), oder ein hochauflösendes Digitalfoto des Klimtgemäldes Der Kuss, aufgeteilt in viele quadratische PDFs/JPGs. Benutzt wird meist die Blockchain Ethereum, da sie nicht nur die Währung Ether speichern, sondern auch die zur NFT-Übertragung benutzen Algorithmen, die Smart Contracts, beherbergen kann. Diese sorgen bei Übertragung über NFT-Marktplätze auch dafür, dass bei jedem Vorgang ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises abgezogen und quasi als Lizenzgebühr direkt an den NFT-Künstler abgeführt wird, der so an einer Wertsteigerung seines NFTs partizipieren kann.

Schmutziges Geld, sauberer Gewinn

Wie bei gegenständlicher Kunst ist der Wert von NFTs subjektiv, liegt im Auge des Betrachters und entzieht sich daher einer Beurteilung durch beaufsichtigende Behörden. Für deren Übertragung ist keine physische Bewegung erforderlich. Etwa 60 Prozent der über NFT-Handelsplätze abgewickelten Transaktionen erfolgen in Kryptowährung, eine solche Zahlung ist daher nicht auffällig.

Die eigentliche Wäsche erfolgt mit einer Serie von Scheingeschäften, sogenannten Wash-Trades, nachdem der Geldwäscher ein unauffälliges NFT-Werk günstig und mit legaler Kryptowährung gekauft hat. Dieses wird über einen NFT-Handelsplatz an einen Käufer, der mit dem Geldwäscher ident ist, (oder einen kooperierenden Dritten) zu einem höheren Preis verkauft. Bezahlt wird mit schmutziger Kryptowährung, die Differenz kann der Geldwäscher nun als sauberen Spekulationsgewinn ausweisen. Alternativ kann man diesen Vorgang mehrfach wiederholen, um den Preis weiter in die Höhe zu treiben und die Herkunft der Gelder weiter zu verschleiern. Wird danach das NFT-Werk an einen ahnungslosen Dritten zu diesem hohen Preis verkauft, stellt das Betrug dar und in der Welt der beaufsichtigten Märkte eine strafbare Manipulation.

Technisch könnten NFT-Handelsplätze KYC-Prüfungen automatisch vornehmen und auch die oben skizzierten In-sich-Geschäfte (über Abgleich von Sender- und Empfängeradressen auf der Blockchain) entlarven, etwa um die Reputation des NFT-Handels zu schützen. Rechtlich verpflichtet sind sie dazu in Europa nicht: Auch nach Inkrafttreten und Umsetzung der MiCA-Verordnung ist bei der Anmeldung zu einem NFT-Handelsplatz keine KYC-Identifizierung erforderlich, weil NFTs nicht dem Anwendungsbereich der Verordnung unterliegen werden.

Zahlen steigen exponentiell

Alles Ausgeführte dient zunächst Besitzern schmutziger oder sanktionsbefangener Kryptowährung, erlangt etwa durch Betrug, Ransomware-Angriffe, Diebstahl, die dergestalt Krypto weißwaschen, deren illegale Herkunft verschleiern und so dem Zugriff durch Verfolgungsbehörden entziehen können. Es löst noch nicht die Frage, wie ein Bündel schmutziger Fiat-Geldscheine in Kryptowährung umgetauscht und auf eine digitale Geldbörse, eine Wallet, übertragen werden kann.

In Europa soll mit Neufassung der EU-Geldtransferverordnung deren Anwendungsbereich zwar auf Kryptowertetransfers ausgeweitet werden, er endet jedoch bei anonymen Unhosted Wallets: Während Wallet-Dienstleistungsanbieter künftig etwa zu Geldwäscheidentifizierung und zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit der Transfers verpflichtet werden, gibt es definitionsgemäß bei Unhosted Wallets keinen Dienstleister, an dessen Sitz in der EU eine Aufsichtsbehörde tätig werden kann. Spätestens mit der Weiterübertragung von einer Unhosted Wallet auf die nächste endet die hoheitlich angeordnete Verfolgbarkeit. Ob eine Bagatellgrenze von 1000 Euro eingezogen wird, ist noch unklar. Um Bargeld auf eine Krypto-Wallet zu übertragen, muss man daher einen KYC-Prozess durchwandern, unter allfälligen Mindestgrenzen bleiben oder in einer Rechtsordnung operieren, die solche Überweisungen noch unkritischer sieht.

Warum der europäische Gesetzgeber hier nicht stärker dahinter ist, erklärt sich vielleicht aus dem Zusammenspiel von Komplexität der Materie und Umfang der Problematik: Während nach Schätzung der UN jährlich zwischen 800 und 2000 Mrd. USD Geld gewaschen werden, waren es 2021 nur etwa 8,6 Mrd. USD Geldwäsche mit Kryptowährungen und acht Mio. USD mit NFTs. Aber die Zahlen steigen exponentiell. (Volker Glas, 10.10.2022)