Wien – Dass sich die Beteiligung an Wahlen im Sinkflug befindet, ist in Österreich nichts Neues. Mit rund 65,2 Prozent handelt es sich heuer um die Bundespräsidentenwahl mit der zweitniedrigsten Wahlbeteiligung. Rund ein Drittel aller Wahlberechtigten blieben am vergangenen Sonntag zu Hause und wählten nicht.

Bloß im Jahr 2010 gab es noch weniger Stimmabgaben bei einer Präsidentenwahl: Mit 54 Prozent wurde damals ein historischer Tiefstand erreicht. Zur Wahl standen vor zwölf Jahren der Amtsinhaber Heinz Fischer (SPÖ), Barbara Rosenkranz (FPÖ) und Rudolf Gehring (CPÖ).

Die Wahlbeteiligung bei der heurigen Bundespräsidentenwahl betrug rund 66 Prozent. Im Schnitt blieb jeder Dritte der Wahlurne fern.
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An die Beteiligung an Bundespräsidentenwahlen in den 1970er-Jahren, als der Prozentsatz noch bei über 90 Prozent lag, kommt man ohnehin nicht heran. Bis 1982 galt eine allgemeine Wahlpflicht für Präsidentenwahlen, in Tirol und Vorarlberg war die Bevölkerung auch danach noch zum Wählen gezwungen. Erst seit 2010 ist die Wahlpflicht in ganz Österreich abgeschafft. Noch bis in die 1990er-Jahre betrug die Wahlbeteiligung über 80 Prozent. Ein Wert, der seit 1998 nicht mehr überschritten wurde.

Regionale Unterschiede

Unterschiede bei der Wahlbeteiligung zeigen sich auch nach Auszählung der Wahlkarten in den Bundesländern. Während am Sonntag Vorarlberg und Tirol mit 56,1 und 56,5 am schlechtesten abschnitten, holte Wien nach der Auszählung der Wahlkarten auf 59,6 Prozent auf. In Niederösterreich gingen die meisten Menschen zur Urne (72,6 Prozent). Dahinter reihen sich das Burgenland mit 70,5, Oberösterreich mit 68,3 und Salzburg mit 66,4 Prozent ein. Knapp dahinter lagen die Steiermark und Kärnten mit je mit 64,3 Prozent. Ein ähnlicher Bundesländer-Unterschied ließ sich bereits bei anderen bundesweiten Wahlen in der Vergangenheit beobachten.

Bei der letzten Nationalratswahl im Jahr 2019 waren es ebenfalls die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, die am ehrgeizigsten zur Urne schritten: rund 80 Prozent. Wien verzeichnete im Gegensatz dazu nur rund 72 Prozent. Auch bei der Parlamentswahl zwei Jahre davor war Niederösterreich Spitzenreiter bei den Wahlberechtigten, Wien war dagegen erneut eines der Bundesländer mit den meisten Nichtwählern.

Größe der Gemeinde entscheidend

Es ist laut dem Politikwissenschafter Armin Mühlböck generell nachzuweisen, dass in größeren Städten die Wahlbeteiligung gering sei. Schuld daran seien die heterogene Bevölkerungszusammensetzung und die Distanz zu den politischen Entscheidungsträgern. "Auch bei bundesweiten Wahlen sind Lokalpolitiker wichtig bei der Vermittlung bei Wahlen. Zudem sind kleine Gemeinden überschaubarer, und es gibt kleinere Wege zu den Wahllokalen", erklärt der Politologe. Deshalb haben kleine Gemeinden im Schnitt eine höhere Wahlbeteiligung als große Städte.

Entscheidende Faktoren seien zudem die sozioökonomischen Strukturen in den Städten und Gemeinden sowie die Herkunft. Gibt es große Unterschiede in der Bevölkerungsstruktur in Städten, sei auch die Wahlbeteiligung niedriger. In homogenen Gemeinden "kennt man sich untereinander, und die eigene Stimme ist mehr ausschlaggebend", fügt Mühlböck hinzu.

So seien auch die großen Unterschiede zwischen manchen Bundesländern und Wien zu erklären. Wien als große Stadt habe immer schon eine niedrigere Wahlbeteiligung gehabt. Niederösterreich im Gegensatz dazu hat viele Landgemeinden mit niedriger Einwohnerzahl. Entscheidend im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs sei auch der bevölkerungsreiche Speckgürtel um Wien.

1,4 Millionen Menschen gar nicht wahlberechtigt

Während viele Menschen zwar nicht wählten, aber das Stimmrecht besaßen, hatten viele erst gar nicht die Möglichkeit, wählen zu gehen. Rund 1,4 Millionen Menschen waren aufgrund der fehlenden Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt. Die Tendenz zeigt: Immer mehr Menschen leben ohne Wahlrecht in Österreich. Vor rund 20 Jahren waren es nur 580.000 Personen, die nicht wahlberechtigt waren. (Max Stepan, 11.10.2022)