Die Ausstrahlung der jüngsten Folge von Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" zieht diverse Konsequenzren nach sich. So soll die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Absetzung von BSI-Chef Arne Schönbohm erwägen, das berichten zahlreiche deutsche Medien mit Berufung auf Informationen aus deutschen Regierungskreisen.
Offiziell will das Ministerium diese Angaben weder bestätigen noch dementieren, heißt es in einem Bericht des "Spiegel". Man gehe den Sachverhalten aber nach und prüfe diese genau, heißt es von einem Sprecher gegenüber dem Medium: "Alle Optionen werden geprüft, wie mit der Situation nun umgegangen wird." Da Schönbohm kein politischer Beamter ist, kann er nicht ohne weiteres in den einstweiligen Ruhestand gesetzt werden.
Russland-Connection
Der von Schönbohm 2012 gegründete Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. steht wegen seiner Nähe zu Russland öffentlich in der Kritik. Der Name des Vereins legt nahe, dass es sich hierbei um eine staatliche Organisation handle, tatsächlich verfolgt der Verein aber in erster Linie Lobbying- und Networkingzwecke. Zu den Mitgliedern gehörte bis vor Kurzem unter anderem ein russischer Anbieter von Sicherheitssoftware, dessen Gründer zuvor im KGB tätig gewesen ist.
Am Wochenende war bereits von zahlreichen Akteuren eine genauere Untersuchung der Umstände gefordert worden.
Verein schließt Protelion aus
Am Montag, 10. Oktober, verkündete der Verein, das besagte russische Unternehmen mit dem Namen Protelion von den Mitgliedern auszuschließen. Bereits am 30. September habe man das Ausschlussverfahren gestartet, als die Vorwürfe der Einflussnahme russischer Nachrichtendienste auf die Protelion GmbH durch eine Medienanfrage bekannt wurden, heißt es dazu auf der eigenen Website. Ebenso heißt es in Medienberichten, dass der Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI), in dem Protelion bisher ebenfalls Mitglied war, das Unternehmen ausschließe.
"Das Agieren der Protelion GmbH ist ein Verstoß gegen die Vereinsziele des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. Die durch Medienberichte im Raum stehenden Vorwürfe sind nicht vereinbar mit dem Kampf gegen Cyberkriminalität und der Förderung von Cybersicherheit – Ziele, denen sich der CSRD e.V. mehr denn je verpflichtet sieht," heißt es von Hans-Wilhelm Dünn, Präsident des Vereins.
Weiters weist Dünn die Vorwürfe der russischen Einflussnahme auf den Verein von sich. "Die Vorwürfe gegen den Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., von russischen Stellen beeinflusst zu sein, sind absurd", wird er auf der Website zitiert: Es handle sich um Anschuldigungen gegen ein einziges Mitglied des Vereins (also der Protelion GmbH, Anm.). Diese sei im Juni 2020 in den Verein eingetreten, es habe aber weder Gespräche noch gemeinsame Projekte mit Vertretern des Unternehmens gegeben: "Dementsprechend konnte auf der Vereinsplattform und im Umfeld des CSRD e.V. keine Einflussnahme stattfinden."
Distanzierung von Video-Statements
Dünn betont, dass er den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und auch die desbezügliche Rolle russischer Nachrichtendienste verurteile – in einem zuvor veröffentlichten und vom ZDF ausgestrahlten Videointerview hatte er noch die Wichtigkeit der Beziehungen zu Russland und der dortigen Nachrichtendienste betont. Diese besagten Aussagen stammen dem Verein zufolge aus dem Jahr 2019 und sind verkürzt wiedergegeben. "Herr Dünn hat keine Kontakte zu aktiven Vertretern staatlicher russischer Stellen gepflegt", heißt es auf der Website: "Vielmehr beziehen sich seine Aussagen generell auf die Aufrechterhaltung von Kommunikationskanälen zu allen relevanten Akteuren im internationalen Sicherheitsbereich. Dies ist unter Beachtung des russischen Agierens und der aktuellen geopolitischen Lage ohnehin nicht denkbar."
Anderes liest man wiederum in einem Beitrag des ARD aus dem Jahr 2019: Damals wurde der Vereinsspitze bereits eine auffällige Nähe zu russischen Unternehmen attestiert, die eine fragwürdige Rolle im Cyberbereich spielen. So nahm Dünn als einziger deutscher Redner an einer Veranstaltung teil, die laut Sicherheitskreisen einen "russischen nachrichtendienstlichen Hintergrund" hatte: Wer daran teilnehme, setze sich der Gefahr aus, für propagandistische Zwecke missbraucht zu werden, hieß es damals.
Wie auch das BSI betont auch Dünn, dass man nichts von den Verbindungen zwischen der Protelion GmbH und den russischen Nachrichtendiensten gewusst habe.
Vom Lobbyisten zum Cyber-Schützer
Aufrecht bleibt zudem die Kritik, dass der Gründer eines Lobbyingvereins zum Kopf von Deutschlands Cyber-Schutzbehörde ernannt wird. Dies war zum Zeitpunkt der Ernennung unter anderem auch von den Medien Netzpolitik.org und SZ thematisiert worden.
Nun heißt es aus den Regierungskreisen auch, Schönbohms Besuch beim Jubiläum des Vereins vor einigen Wochen habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Bundesinnenministerium war allerdings nach einem Bericht des Portals "Business Insider" über die Festrede Schönbohms bei dem Verein informiert worden. Demnach genehmigte Faesers Staatssekretär Markus Richter den Vortrag auf Bitten von Schönbohm am 24. August. (red/Agenturen, 10.10.2022)
Update, 10.10.2022, 15:17: Der Ausschluss Protelions wurde im Artikel ergänzt.
Update, 15:48: ARD-Beitrag wurde ergänzt, Videobeitrag des ARD eingefügt.