"Her mit deiner Telefonnummer", schreien die Blizzard-Spiele aktuell. Ohne Zwei-Faktor-Authentifizierung heißt es hier schnell: Game Over.

Foto: Blizzard

"Ich muss meine Telefonnummer angeben, wenn ich 'Overwatch 2' spielen will?", erboste sich kürzlich ein Freund im gemeinsamen Playstation-Chat. Damit sei das Spiel für ihn uninteressant, betonte der Mittvierziger, der weder von den Login-Problemen des neuen Blizzard-Spiels wusste, noch von der über die Jahre schleichend gewachsenen Verknüpfungswut der Spielehersteller richtig Wind bekommen hatte. Mittlerweile wollen nämlich fast alle Publisher von uns eine allumfassende Identifikation – am besten inklusive Zwei-Faktor-Authentifizierung. Also einfach Modul in den Schacht und losspielen, auch bekannt als konsolenverkaufender Werbeslogan der 1990er-Jahre, "Plug and Play", ist damit endgültig Schnee von gestern.

Lass mich spielen

Es war ein verregnetes Wochenende – in Nerd-Deutsch ein sonniger Tag mit 20 Grad, aber ich wollte nicht rausgehen –, und ich hatte Zugang zur "Street Fighter 6"-Beta. Perfekt, dachte ich, schließlich war der Download schon erledigt und ich bereit, mir online ein paar blaue Flecken zu holen. Dann war er da, der Capcom-ID-Bildschirm. Ich müsse mich anmelden und das Konto verknüpfen, sonst könne ich das Spiel nicht starten, versuchte mir eine mäßig hübsch gestaltete Infobox mitteilen.

Also rief ich die angegebene Website auf, registrierte mich mit Name, E-Mail und Geburtsdatum – danke, nächstes Datenleck –, sendete noch ein paar Bestätigungsmails hin und her, und irgendwann nach 15 Minuten konnte ich dann endlich spielen. Nachdem ich ein paar Mal übelst verprügelt worden war, wollte ich einen anderen neuen Titel auf der Playstation-Festplatte starten: "Overwatch 2". Lange Rede, kurzer Sinn: Ich war nicht im Spiel. Das lag aber ausnahmsweise nicht an der unendlich langen Warteschlange, an die man sich in den letzten Tagen beim Einstieg gewöhnt hat, sondern an der Eingabe der Real-ID. Damit meint Blizzard, ähnlich wie Capcom, die Verknüpfung einer E-Mail-Adresse, einiger persönlicher Daten und der Konsole. Zusätzlich will Blizzard mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung für einen sicheren Account sorgen – oder auch übersetzt für einen nicht mit Freunden geteilten Account.

Beim Namen Real-ID müssen manche ältere Spieler kurz zusammenzucken, führte dieser doch bereits 2010 zu einem kleinen Shitstorm in der Blizzard-Welt. Zur damaligen Blüte von "World of Warcraft" wollte der Spielehersteller nämlich weniger toxisches Verhalten in seinen Foren und sorgte deshalb mit der Real-ID dafür, dass sich alle Spieler mit ihrem echten Namen kenntlich machen mussten. Ein Plan, der nach hinten losging. Der Community-Manager Micah Whipple postete damals seinen Namen im Forum, um der Firmenentscheidung Rückenwind zu geben. Das endete – nicht so gut. Spieler fühlten sich herausgefordert, sämtliche privaten Fotos und Informationen zu Whipple auszugraben und diese im Forum zu posten. Wenige Tage nach der Real-ID-Einführung wurde die Angabe des echten Namens zu einer wählbaren Option, dieser musste allerdings nicht mehr angezeigt werden.

Die Capcom-ID bringt keinen Nutzen für den Spieler, nur für den Publisher.
Foto: Capcom

Freispielbares Chaos

Nicht immer, aber in manchen Dingen lernen Entwickler und Spielepublisher aus ihren Fehlern. Von der Angabe des echten Namens in Spielen sind wir weit entfernt. Trotzdem müssen wir heute Spielefirmen ein Netz an Daten liefern unter dem Vorwand, damit den Service zu verbessern. Rockstar, Square Enix, Capcom oder Blizzard – sie sind nur die Speerspitze derer, die uns Spieler nicht mehr einfach einloggen lassen, sondern entwicklerseitige IDs verlangen. Alter, Name, Adresse – dazu sämtliche Konsolen- oder PC-Accounts (Steam, Playstation-ID usw.) und sogar eine Telefonnummer. Nicht ganz sicher abgelegt, wie die Vergangenheit zeigt. Egal ob Capcom 2020, Electronic Arts 2021 oder der historische Diebstahl von 100 Millionen Accounts bei Sony 2011 – irgendwie hat man nicht das Gefühl, dass die Daten bei den Spielefirmen wirklich sicher sind.

Nun mag das alles gut für den Entwickler beziehungsweise den Publisher sein, um Datenmaterial zu seinen Kunden sammeln zu können, aber was habe ich als Spieler davon? Wenig, wenn man es auf das Wesentliche reduziert. Einen Newsletter kann man erhalten: danke für nichts! Es könnte Spieleherstellern auch einfallen, für den Spieler wenig ertragreiche Treueprogramme zu starten, wie das Sony kürzlich mit Playstation Stars in manchen Teilen der Welt bereits getan hat und offenbar Mitte Oktober auch in Europa damit den Kunden erreichen möchte. Mit Herausforderungen, Trophäen und Spielekäufen kann man damit Punkte sammeln, die man dann im Shop für diverse Prämien, sogar neue Spiele, einlösen kann. Bevor wir in kollektive Euphorie verfallen: Um ein Vollpreisspiel mit erspielten Punkten kaufen zu können, muss man vorher etwa 25 Vollpreisspiele kaufen. Hier wird mehr der Sammeltrieb angesprochen und nicht wirklich das Wort Bonus großgeschrieben.

Mit Playstation Stars startet Sony im Oktober ein Treueprogramm, was aber eher für Sammler gedacht ist und nicht besonders schnell bestimmte Boni freispielt.
Foto: Sony

Zurück zum Start

Nach diesem kurzen Abstecher kommen wir zurück zum Thema Plug and Play oder, wie im aktuellen Fall, Plug and Pay. Schnell einmal ein Spiel starten geht schon lange nicht mehr, speziell wenn man sich als Onlinekunde den 80-Gigabybte-Downloads plus diversen Day-One-Patches entgegenstellt. Dann auch noch diesen aufgesetzten Papierkrieg kämpfen zu müssen sowie dem Spielehersteller neben Geld auch noch Daten zu liefern, nur um einfach ein paar auf die Mütze bekommen zu können, das finde ich zunehmend nervig.

Was bleibt, ist, sich als Kunde wieder einmal lauthals zu melden, bestimmte Spiele zu meiden oder zu sagen: Egal, ich mache alles, was ihr wollt. Wie sich der Mainstream am Ende entscheidet, wird den Weg zeichnen, welche Hürden wir in fünf bis zehn Jahren nehmen müssen, bis wir endlich auf "Start" drücken können. Und um gleich die Vorfreude auf einen Blockbuster dieses Winters zu dämpfen: "Call of Duty: Modern Warfare 2" wird ebenfalls die eigene Handynummer voraussetzen, die zuvor im Battle.net-Konto eingegeben werden muss. Sonst bleibt der Bildschirm schwarz. Wie der Himmel an einem verregneten Wochenende. (Alexander Amon, 11.10.2022)