In der OMV-Zentrale in Wien ist ein Brief eines Konsortiums eingegangen, in dem Interesse an der Öl- und Gassparte der OMV bekundet wird.

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Als Alfred Stern im September 2021 seinen Job als OMV-Chef antrat, war eine seiner ersten Handlungen, eine neue Strategie für Österreichs größtes Industrieunternehmen ausarbeiten zu lassen. Im Frühjahr lag sie vor und lautete, vereinfacht gesagt: mehr Kunststoff und Chemie statt Öl und Gas. Das Kräftemessen um den richtigen Kurs hat nicht nachgelassen.

Widerstand gegen eine "Borealisierung" der OMV kam und kommt aus dem Bereich Exploration und Produktion (E&P), der von Vorstandsdirektor Johann Pleininger verantwortet wird. "Borealisierung" bezieht sich auf den Umstand, dass das Gewicht von Borealis mit Umsetzung der neuen Strategie im Steigen begriffen ist, der E&P-Bereich aber eher an Bedeutung verliert.

Riss durch Öl-, Gas- und Chemiekonzern

Borealis gehört zu 75 Prozent der OMV und zu 25 Prozent Adnoc aus Abu Dhabi; die Kunststofftochter soll der neue Geldbringer werden, Stern selbst leitete Borealis vor seinem Einzug in den OMV-Vorstand, eine Reihe von Borealis-Managern sitzt mittlerweile an wichtigen OMV-Schalthebeln.

Bereits vor einem Jahr, mitten in der Ausarbeitung der neuen Strategie, wurden Ideen ventiliert, die auf eine Zweiteilung der OMV hinauslaufen: eine Kunststoff-OMV mit Borealis als Kern sowie eine Öl- und Gas-OMV, ergänzt um Aktivitäten im Bereich erneuerbarer Energien. Als Strippenzieher im Hintergrund wird der aus Niederösterreich stammende E&P-Vorstand Pleininger genannt, der im Rennen um den OMV-Chefsessel dem gebürtigen Steirer Stern unterlegen ist. Pleiningers Vorstandsvertrag wurde vom Aufsichtsrat nicht mehr verlängert, er läuft nächstes Jahr aus.

Gasmangellage als Treiber

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit zusammenhängende Gaskrise in Europa sorgen nun zumindest kurzfristig für ein Revival des E&P-Bereichs. Ein norwegisches Konsortium zeigt Interesse, sich mehrheitlich an der Öl- und Gassparte der OMV zu beteiligen, berichtete der Kurier am Wochenende. Im Gegenzug wird angeblich die Lieferung von 75 Terawattstunden (TWh) pro Jahr in Aussicht gestellt. Zum Vergleich: Österreichs Jahresverbrauch liegt bei 90 TWh Gas. Ein Schreiben mit entsprechendem Inhalt sei nicht nur bei der OMV, sondern auch beim Finanzministerium eingegangen.

Die OMV gehört zu 31,5 Prozent der Republik, die Anteile werden von der Staatsholding Öbag verwaltet. Ein weiterer Großaktionär ist Mubadala aus Abu Dhabi; der von der Investmentgesellschaft des Emirats gehaltene 24,9-Prozent-Anteil ist mit dem Öbag-Anteil syndiziert; über die Ausrichtung des Unternehmens muss folglich Einvernehmen hergestellt werden.

Interessentenbrief eingelangt

"Wir haben vor mehreren Wochen einen Brief bekommen, in dem ein gewisses Interesse an unserem E&P-Geschäft zum Ausdruck gebracht wurde", bestätigt OMV-Sprecher Andreas Rinofner. "Da die OMV gerade dabei ist, ihr Portfolio im Zuge der Strategieumsetzung zu analysieren, haben wir geantwortet, dass wir gegenwärtig nicht seriös darüber sprechen können. Im Übrigen langen immer wieder Interessenbekundungen für den einen oder anderen Bereich bei uns ein", sagte Rinofner dem STANDARD.

"Ich fände es nicht klug, wenn die OMV Kapazitäten, die sie selbst hat, gerade in der jetzigen Situation aus der Hand gibt", meint ein Insider, der nicht genannt werden will. Auch sei zu bezweifeln, dass Österreich auf diesem Wege zu günstigerem Gas komme. Wäre da noch der zeitliche Ablauf: Die OMV müsste sich rasch zusätzliche Leitungskapazitäten sichern, um 75 TWh nach Österreich zu bringen. Die könnte sie frühestens im Sommer 2023 ersteigern. (Günther Strobl, 11.10.2022)