110 Beschäftigte widmen sich bei Adler Lacke in Tirol der Forschung. Dort steht die Entwicklung unter anderem von Beschichtungen im Fokus, die die Nutzung druckbarer Elektronik im Holzbau ermöglichen.
Foto: Adler Lacke

Traditionell gibt es zwei Gründe für die Nutzung von Lacken: Schutz und Dekor. Man möchte einen Zaun vor Witterungseinfluss schützen oder ein Auto mit einer gewissen Optik fahren. Mittlerweile sind die Beschichtungen aber vielseitiger geworden. Es hat sich ein eigener Forschungsbereich etabliert, in dem den Lacken weitere Funktionen mitgegeben werden. Die stark spezialisierten Systeme sind hitzefest oder schmutzabweisend, wirken stabilisierend oder antimikrobiell. Manche verhindern ein statisches Aufladen von Oberflächen, andere sind leitfähig oder isolierend.

Die funktionalen Beschichtungen kommen heute auch in der Holzbearbeitung zum Einsatz. Dort macht man sich Gedanken über neue Eigenschaften, die man Möbeln, Böden, Fenstern oder Dachstühlen mitgeben kann. Bei Adler Lacke in Schwaz in Tirol, wo vor allem Anwendungen für den Holzbereich entwickelt werden, hat man etwa bereits "selbstheilende Lacke" oder smarte Brandschutzprodukte im Angebot, wie ein Werksbesuch zeigte, der vom Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) organisiert wurde.

Druckbare Elektronik

Albert Rössler, Leiter der 110 Beschäftigte zählenden Forschungsabteilung des Unternehmens, sieht künftig auch einen zunehmenden Einfluss der Digitalisierung auf die Gestaltung von Holzprodukten. "Beispielsweise könnte druckbare Elektronik in Beschichtungen den Möbeln digitale Funktionen mitgeben", sagt Rössler. Gleichzeitig spielen digitale Werkzeuge beim ressourcenschonenden Auftragen der Beschichtungen eine Rolle – bis hin zur Optimierung einer Oberfläche mit sensitiven Schleifrobotern.

Einer der Ausgangspunkte auf dem Weg zu funktionalen Holzlacken war die Idee, Fensterrahmen besser gegen Hagel zu schützen. "Wir haben uns die Frage gestellt, wie man dieser häufigen Schadensursache mit technischen Mitteln begegnen kann", sagt Rössler.

Die Antwort lag in einer Kunststofftechnologie, die auf das Lackprodukt übertragen wurde. Der Beschichtung wurden kleinste Mikrokapseln beigemengt, die eine ölige Substanz enthalten. Entsteht ein Riss durch Hagelschlag, platzen die Kapseln auf und versiegeln die beschädigte Stelle. "Das Material in den Kapseln kann den Riss vielleicht nicht komplett verschließen. Es verhindert aber, dass Wasser eintritt und das Holz schädigt."

Bei der Entwicklung des Lacksystems kooperierten Rössler und sein Team mit dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen. Eine Vielzahl an Parametern muss stimmen, damit die Beschichtung wie gewünscht funktioniert. "Die Optimierung der Mechanik des Lackfilms war ein entscheidender Schritt: Die Kapseln dürfen etwa nicht obenauf schwimmen, wenn der Lack trocknet. Wir nutzen Benetzungsmittel – ähnlich wie in Spülmitteln –, um eine ausgewogene Verteilung zu erzielen", verdeutlicht Rössler anhand eines Beispiels.

Zehnjährige Entwicklung

Während die Entwicklung eines neuen Lacks üblicherweise etwa drei Jahre dauert, wurden für diese SH-Technologie bei Adler insgesamt zehn Jahre aufgewendet. Für ein weiteres Produkt, das den Ansatz für den Innenbereich adaptierte – einen selbstheilenden Möbellack –, halbierte sich diese Zeit. "Bei der Möbelanwendung standen die mechanischen Eigenschaften des Bindemittels im Fokus. Bei einem Kratzer im Lack dehnt sich das Material aus wie ein zusammengepresster Schwamm, um ihn zu verschließen", erklärt Rössler.

Eine der jüngsten Entwicklungen ist ein Brandschutzsystem, das bei Hitze eine Schutzbarriere gegen die Flammen aufbaut. "Im Notfall bläht sich der Lack auf und bildet einen Kohlenstoffschaum, der den Holzuntergrund isoliert", erklärt der Experte. Chemisch gesehen greifen dabei zwei Mechanismen ineinander: Einerseits wird eine Reaktion angestoßen, die dem Lacksystem Wasser entzieht, andererseits bildet sich aus einem Treibmittel ein Gas, das den verbleibenden Kohlenstoff aufbläht. "Die Herausforderung ist, diese Vorgänge bei der richtigen Temperatur und in der richtigen Geschwindigkeit ablaufen zu lassen. Gleichzeitig sollte die Beschichtung transparent sein." Während die Anwendung für den Innenbereich demnächst auf den Markt kommt, arbeiten die Forschenden bei Adler noch an der Witterungsbeständigkeit für eine Außenanwendung.

Das Unternehmen, das vor allem Kunden in Europa – darunter viele Tischlereien – beliefert, bemüht sich in besonderem Maß um Umweltverträglichkeit. Es wirbt etwa damit, seit 2018 CO2-neutral zu arbeiten, und bietet mehrere Produkte mit Kreislaufwirtschaft-Zertifikaten an. "Cradle to Cradle in der Architektur ist etwa in den Niederlanden ein großes Thema. Die Nachfrage nach den Lacken ist dort enorm", hebt Rössler hervor.

Lack-Recycling

Gleichzeitig bemüht man sich um zunehmende Recyclingraten. "Bei der Frage, wie lackierte Möbel oder Fenster wiederverwertbar werden können, stecken wir noch am tiefsten in der Forschung", sagt der Experte und verweist auf aktuell laufende Projekte im Think-Wood-Programm der Förderagentur FFG. Weder die Abtrennung noch ein erneutes Nutzbarmachen der alten Lackschichten ist einfach. Eine Idee: "Wir wollen einen Weg finden, die Beschichtungen gemeinsam mit dem Altholz zu verwerten. Das Holz könnte zu Spanplatten verarbeitet und der anhaftende Lack zum Bindemittel in diesen Spanplatten werden", skizziert Rössler die Idee. "Ein Ansatz dieser Art könnte sich letztlich als wirtschaftlicher und weniger energieaufwendig erweisen."

Auch bei den "digitalen" Funktionslacken arbeitet man schon an konkreten Ideen. "Wir sind etwa Teil eines Projekts mit der Holzforschung Austria, in dem es um den Einsatz von druckbarer Elektronik geht. Sensoren in Bauteilen sollen hier den Zustand großer Holzbauten überwachen", erklärt Rössler. (Alois Pumhösel, 8.11.2022)