Orthopädische Einlagen könnten bald zum Hightech-Produkt werden.
Foto: Sendance

In der Orthopädie gehört die Anfertigung von medizinischen Schuheinlagen zum täglichen Handwerk. Die maßgeschneiderten Einzelstücke sollen Druckstellen und Schmerzen vermindern und die Körperhaltung verbessern. Bei Diabetes sind die Einlagen ein wichtiges prophylaktisches Mittel. Die Erkrankung kann zu Durchblutungsstörungen und Druckgeschwüren führen, die im schlimmsten Fall sogar Amputationen notwendig machen können.

Auch in diesem Bereich macht sich zunehmend die Digitalisierung breit. Mittlerweile werden Füße gescannt, Einlagen am Computer designt und mithilfe automatisierter Fertigungstechniken in physische Form gegossen. Das Start-up Sendance, ein Spin-off-Unternehmen des Soft Materials Lab der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU), ergänzt die digital unterstützte Orthopädie um ein weiteres Puzzlestück.

Erfolg und Anpassung

Die Gründer Robert Koeppe, Daniela Wirthl, Yana Vereshchaga und Thomas Stockinger arbeiten an einem flexiblen Sensornetzwerk, das in den Einlagen eingebettet wird, um die Druckverteilung zu messen. So können Orthopäden kontrollieren, wie gut die Einlage geholfen hat und welche Anpassungen das Nachfolgemodell braucht. "Im Vergleich zu anderen Produkten am Markt misst unsere Sensorik die Druckverteilung an den Füßen permanent", sagt Co-Gründerin Wirthl. "Das hat eine Reihe von Vorteilen: Es ist schwierig, die langfristigen Anforderungen und das Belastungsprofil in den wenigen Minuten der Anpassung gut abzuschätzen. Man sieht, wo es tatsächlich Probleme im Alltag gibt. Gleichzeitig wird offensichtlich, ob es Verbesserungen gibt und die Einlagen halten, was sie versprechen."

Das Sensornetzwerk kann einfach angebracht werden.
Foto: Sendance

Am Soft Materials Lab der JKU beschäftigen sich Wissenschafter schon lange mit Elektronik und Sensorik, die in weiche, verformbare Materialien eingebettet sind. Robert Koeppe, der heutige Geschäftsführer von Sendance, kehrte nach Verkauf seines ersten Start-ups an das Institut zurück, wo die Idee entstand, die Sensornetze zum Gegenstand eines neuen Unternehmensprojekts zu machen. Auf der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten zeigte sich die Orthopädietechnik besonders interessiert.

2021 wurde Sendance gegründet. Unterstützung kam unter anderem vom Austria Wirtschaftsservice (AWS), der Förderagentur FFG mit Mitteln aus dem Klimaschutzministerium, dem Land Oberösterreich und dem Inkubator Tech2b. "Eines der Merkmale unserer Sensorlösung ist, dass sie große Freiheit im Design der Produkte erlaubt", sagt Wirthl. "Die Sensoren sind mittels dehn- und verformbarer Materialien zu einer Netzstruktur verbunden. Die Gestaltung erlaubt eine einfache Fertigung, die auch im industriellen Maßstab leicht umzusetzen ist."

Mini-Elektronik am Fuß

Das aus einer Kunststoffmatrix gefertigte Sensornetz samt eingebetteter dehnbarer Elektronik wird mithilfe einer Klebefolie aufgebracht und passt sich der individuell gefertigten Sohle an, sodass sie jede Formveränderung, die beim Gehen oder Laufen entsteht, anstandslos mitmachen kann. Die miniaturisierte Elektronik, die von einem Akku versorgt wird, managt die kontinuierliche Messung und Speicherung sowie das Auslesen der Daten.

Im Start-up arbeitet man am Aufbau einer Cloudlösung, die aufseiten von Sendance die Daten anonymisiert verwaltet. Für die Orthopädietechnik soll dann eine Online-Plattform zur Verfügung stehen, die die Daten der jeweiligen Patienten zugänglich macht und sie in Form von Auswertungen und Analysen aufbereitet.

Die Erfindung soll sich auch für die industrielle Fertigung eignen. Bisher verband man mit Einlagen ja eher keine Hochtechnologie.
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Für das Start-up scheint das Konzept aufzugehen: "Wir sind in der privilegierten Situation, dass wir mehr Partnerschaftsangebote haben, als wir bedienen können", sagt Wirthl. Mit einer Handvoll Partner soll es nun gemeinsame Produktentwicklungen geben. Zudem steht eine erste Investitionsrunde an, die die Mittel für eine Produktionslinie bringen soll. Neben dem vierköpfigen Gründungsteam gibt es mittlerweile neun weitere Beschäftigte. Noch heuer soll ein fertiges Produkt verfügbar sein.

Schuhsohle als Bewegungsmesser

Medizinische Einlagen sollen zudem nicht die einzige Anwendung bleiben. In einem weiteren Projekt arbeitet das Team an Schuhsohlen, die Lauf- und Radsportlern Daten zu Kraftübertragung und Bewegungseffizienz liefern. Auch ein Luxussegment, in dem Schuhe personalisiert angefertigt werden, ist ein potenzieller Markt. Zudem ist auch die Nutzung weiterer Sensortypen möglich, die nicht den Druck, sondern Temperatur, Feuchte oder andere Parameter messen.

"Eines unserer Patente beschreibt Sensorik auf durchlässigen Substraten. Damit lassen sich etwa Wundverbände entwickeln, die auf Basis von Feuchtedaten anzeigen, ob sie gewechselt werden müssen", sagt Wirthl. "Genauso wäre aber auch Sensorik für intelligente Tischoberflächen oder Textilien möglich. Es gibt viele potenzielle Einsatzbereiche." (Alois Pumhösel, 24.10.2022)