Die Körpergröße und ihre Unterschiede sind ein spannendes Thema für die Forschung. Denn an diesem Merkmal lassen sich die Einflüsse von Genen und der Umwelt besonders gut studieren. Sind es eher genetische Faktoren, welche die Unterschiede in der durchschnittlichen Körpergröße erklären? Dieser Schluss drängt sich auf, da größere Eltern meist auch größere Kinder haben.

Oder tragen vor allem andere Faktoren wie eine bessere Ernährung zum Größenwachstum bei? Um diese Hypothese wird man angesichts der Größenwachstums etwa der männlichen Niederländer in den letzten 200 Jahren auch nicht ganz außer Acht lassen können: Gehörten die mit 164 Zentimetern Anfang des 19. Jahrhunderts zu den kleinsten Europäern, zählen sie heute – vermutlich auch dank der niederländischen Milchprodukte – mit 184 Zentimetern zu den größten.

Viele Genvarianten spielen mit

Hinsichtlich der Erblichkeit war Statistikern wie Ronald Fisher schon vor über 100 Jahren klar, dass eine Vielzahl von Genen einen jeweils kleinen Beitrag zur Körpergröße leisten dürfte. Das wurde in den letzten Jahren durch sogenannte genomweite Assoziationsstudien (GWAS) bestätigt, die 2005 entwickelt wurden, um die genetischen Ursachen für komplexere Krankheiten zu ermitteln.

GWAS verwenden einen Ansatz, der als Genotypisierung bezeichnet wird, um die DNA von Tausenden von Individuen zu vergleichen. Das ermöglicht es den Forschenden, genetische Varianten zu identifizieren, die mit Unterschieden in einem Merkmal von Interesse verbunden sind. Allzu groß schien dieser Einfluss bei der Körpergröße nach den ersten einschlägigen GWAS nicht zu sein: Zuletzt hielt man bei immerhin fast 4.000 häufige DNA-Variationen, die zusammengenommen freilich nur 20 Prozent der Größenunterschiede erklären konnten.

Größte GWAS zum Thema

Ist der Einfluss der Gene tatsächlich so klein? Oder fehlte es der Forschung schlicht an Daten? Es dürfte Letzteres gewesen sein: Eine am Mittwoch im Fachblatt "Nature" erschienene GWAS wertete genetische Daten von 5,4 Millionen Menschen aus 281 Untersuchungen aus und konnte eine erhebliche Lücke in unserem Verständnis darüber schließen, wie unsere genetischen Unterschiede für Variationen in der Körpergröße verantwortlich sind.

Das Forscherteam um Bioinformatikerin Eirini Marouli (Queen Mary University of London) identifizierte insgesamt 12.111 Genvarianten, die mit dem Skelettwachstum in Verbindung stehen und einen starken genetischen Prädiktor für die Körpergröße darstellen. Die identifizierten Varianten erklären immerhin 40 Prozent der Schwankungen in der Körpergröße bei Menschen europäischer Abstammung (die rund 80 Prozent der genetischen Daten lieferten) und etwa zehn bis 20 Prozent bei Menschen nichteuropäischer Abstammung.

Die Körpergröße von Gideon Jung (Spielvereinigung Greuther Fürth) wird ermittelt. Der deutsch-ghanaische Profifußballer misst 189 Zentimeter. Für Menschen nichteuropäischer Abstammung erklären die 12.000 Genvarianten erst zehn bis 20 Prozent der Größenunterschiede. Hier fehlen noch die Daten.
Foto: IMAGO/Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Varianten in 20 Prozent des Genoms

Durch den beispiellosen Umfang der Studie werden noch weitere neue Details und biologische Erkenntnisse darüber geliefert, warum Menschen groß oder klein sind, wobei die Vererbbarkeit mit verschiedenen spezifischen Genomregionen in Verbindung gebracht wird. Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Varianten, die mit der Körpergröße zusammenhängen, in Regionen konzentriert sind, die etwas mehr als 20 Prozent des Genoms ausmachen.

Die Ergebnisse der Studie könnten Ärzten dabei helfen, Menschen zu identifizieren, die ihre genetisch vorhergesagte Größe nicht erreichen, wie Eirini Marouli betont: "Genomische Studien sind revolutionär und könnten der Schlüssel zur Lösung vieler globaler Gesundheitsprobleme sein – ihr Potenzial ist ungeheuer spannend. Wenn wir uns auf genomischer Ebene ein klares Bild von einem Merkmal wie der Körpergröße machen können, verfügen wir vielleicht über ein Modell, mit dem wir genbeeinflusste Krankheiten wie Herzkrankheiten oder Schizophrenie besser diagnostizieren und behandeln können." (tasch, 13.10.2022)