Die EU-Kommission bemängelt unter anderem, dass Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden.

Foto: imago images/Winfried Rothermel

Brüssel/Innsbruck/Lienz – Die EU-Kommission hat am 29. September ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich eingeleitet, wobei mehrere Bundesländer betroffen sind. Einer der Auslöser für das Mahnschreiben sei eine Beschwerde der Naturschutzorganisation WWF gegen die drohende Verbauung der Osttiroler Isel im Vorjahr gewesen, bestätigte die Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol gegenüber der APA.

Ein Vorstoß des WWF hatte die unvollständige Verordnung des Schutzgebiets "Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach" 2021 auf das Brüsseler Tapet gebracht. Dabei kritisierte die Naturschutzorganisation, dass gleich sechs Kraftwerksprojekte an den Isel-Zubringern forciert würden, eines gar direkt am Hauptfluss. Die EU hatte daraufhin angekündigt, die Beschwerde im Rahmen eines wesentlich umfassenderen Vertragsverletzungsverfahrens aufzugreifen.

Die Isel und Teile ihrer Zubringerflüsse waren im Jahr 2015 als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen worden. Davon gibt es österreichweit 281, wovon 18 in Tirol liegen. Deren Schutz gilt als gemeinschaftliches EU-Interesse. Der WWF hatte trotzdem eine immer stärkere Verbauung des Isel-Einzugsgebietes geortet.

Bessere Informierung der Öffentlichkeit

Die Kommission fordert Österreich konkret auf, die Umsetzung der EU-Naturschutzvorschriften im nationalen Recht zu verbessern. Unter anderem geht es dabei um die FFH-Richtlinie, die als eines der wichtigsten Instrumente der EU zum Schutz der biologischen Vielfalt gilt. Gemäß der Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten besondere Schutzgebiete ausweisen und Erhaltungsziele sowie entsprechende Maßnahmen festlegen, um einen günstigen Erhaltungszustand der dortigen Arten und Lebensräume zu bewahren oder wiederherzustellen. Österreich habe die erforderlichen Maßnahmen noch nicht umgesetzt, hieß es in einem Statement der Kommission vom September.

Konkret bemängelt wird von der Kommission einerseits, dass "Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse" noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen wurden. In anderen Gebieten fehlten Erhaltungsziele und -maßnahmen oder seien unvollständig oder zu weit gefasst, so die Kommission. Auch die Öffentlichkeit müsse besser über besagte Ziele und Maßnahmen informiert werden, hieß es. Die betroffenen Bundesländer hätten jetzt zwei Monate Zeit, die Vorwürfe der EU-Kommission zu entkräften.

Das vertrauliche, an die Republik gerichtete Mahnschreiben sei mit der Bitte um eine Stellungnahme bis Ende Oktober an die betroffenen Bundesländer weitergeleitet worden, hieß es aus der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol. Dass eine solche bis Ende des Monats ausgearbeitet werden kann, wurde dort bezweifelt. Aufgrund der inhaltlichen Komplexität und des Ausmaßes würde es wohl länger dauern.

Bereits zuvor Vertragsverletzungsverfahren

In der Vergangenheit ist es übrigens schon einmal zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich gekommen. Damals ging es um eine unzureichende Ausweisung von Natura-2000-Flächen. Das Verfahren wurde jedoch im Juli 2019 eingestellt.

Darauf bezog sich auch Umweltlandesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) auf APA-Anfrage und betonte: "Tirol hat mit der Ausweisung der Bergmähwiesen 'Padeilemähder' und 'Obernberg' sogar noch weitere 164 Hektar als Schutzgebiet ausgewiesen und damit insgesamt 14,5 Prozent der Tiroler Landesfläche unter Natura-2000-Schutz gestellt." In Bezug auf das Mahnschreiben spielte sie den Ball an die zuständige Abteilung im Amt der Landesregierung. Diese werde "ihre fachliche Stellungnahme an die Bundesrepublik Österreich abgeben". (APA, red, 12.10.2022)