Die Gemengelage ist bunt, sehr bunt. Am Freitag um 24 Uhr läuft die Ausschreibungsfrist für einen der zwei Vorstandsposten in der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA ab – und somit für einen ganz wesentlichen Topjob in Österreichs Welt der (Finanz-)Wirtschaft. Für einen, dessen Besetzung stets mit lauter parteipolitischer Begleitmusik verbunden ist.
Die FMA, die Banken, Versicherer und den Kapitalmarkt beaufsichtigt, hat zwei Vorstandsdirektoren, einen schickt das Finanzministerium und einen das Direktorium der Nationalbank (OeNB). Auf dem schwarzen Ticket des Finanzministeriums sitzt Eduard Müller, auf dem OeNB-Ticket Helmut Ettl (rot). Der 57-Jährige war bis 2008 in der Bankenaufsicht der OeNB tätig, seit damals ist er im FMA-Vorstand. Sein Vertrag läuft bis Februar 2023 – um seinen Posten geht es also gerade. Ettl, dessen fachliche Expertise anerkannt ist, wird sich bewerben.
Rot oder grün?
Bestellt wird der FMA-Vorstand durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung, in der die SPÖ bekanntermaßen nicht vertreten ist. Und: Gemäß schwarz-grünem Sideletter steht den Grünen die Besetzung eines FMA-Vorstandsjobs zu. Sie hätten auch jemanden: Josef Meichenitsch, Wirtschaftsberater von Vizekanzler Werner Kogler in den Regierungsverhandlungen.
Er kennt die FMA aus seiner Leitungsfunktion im Bereich Geldwäschebekämpfung, seit Mitte 2020 ist er in der OeNB für europäische Aufsichtsbelange zuständig; davor war er in der irischen Zentralbank. Auch der 42-jährige Marathonläufer und Triathlet wird sich bewerben.
OeNB-Spitze ist am Zug
Am Wort ist aber die OeNB, deren Direktorium demnächst einen Beschluss fassen muss, wen sie der Regierung vorschlägt. Zuständig sind also Gouverneur Robert Holzmann (blau), dessen Vize Gottfried Haber (schwarz) sowie Thomas Steiner (schwarz) und Eduard Schock (blau). Sie alle könnten mit Ettl gut weiterleben, ist zu hören, wiewohl auch Meichenitschs Eignung als unbestritten gilt.
Allerdings sitzt den Notenbankern der Vorwurf des Postenschachers in den Knochen; nun möchten sie laut eigenem Bekunden eine transparente Besetzung abseits der Parteipolitik auf die Bühne stellen. Zu diesem Zweck wurde der Frankfurter Zweig der Beratungsgesellschaft von Spencer Stuart engagiert, die Berater sind für Auswahl und Hearings der Bewerberinnen und Bewerber zuständig, können aber auch selbst Leute ansprechen.
Stichwort Bewerberinnen: Auch eine Notenbankerin mit Aufsichtserfahrung sollte ins Rennen geschickt werden, sie hat aber abgesagt. Ob sich andere Frauen melden, die laut Ausschreibung "nachdrücklich" zur Bewerbung eingeladen sind, bleibt abzuwarten.
Auswahlkommission eingesetzt
Nach Longlist, Shortlist und nach den Hearings wird dann eine eigens zusammengestellte Auswahlkommission aktiv. Darin vertreten: Holzmann und Haber von der OeNB sowie eine externe Expertin und ein Experte aus dem EU-Notenbank- bzw. EU-Bankenaufsichtsbereich. Diese vier müssen sich einstimmig (Dirimierungsrecht gibt es nicht) auf eine Person einigen. An diesen Vorschlag will sich das gesamte Direktorium halten und seinen Beschluss an den Finanzminister weiterleiten.
So weit der Plan.
Aus der Begleitmusik ist herauszuhören, dass die ÖVP nicht begeistert wäre, würde Ettls Vertrag ein drittes Mal verlängert. Die Türkisen wollten ihn schon bei ihrer Aufsichtsreform absägen, den zweiten Vorstandsjob per Gesetz ganz streichen. Dieses Vorhaben wurde aber nie umgesetzt, das Ibiza-Video und das Ende der türkis-blauen Koalitionsregierung kamen dazwischen.
Einen Alternativkandidaten für den Aufseherjob, in dem man sich – im Idealfall – keine Freunde macht, hat sie aber auch nicht parat. Die Grünen wollen sich nicht vorwerfen lassen, Topjobs wie althergebrachte Parteien gemäß Sideletter politisch zu vergeben.
So gesehen könnte Ettl ganz gute Karten haben. (Renate Graber, 13.10.2022)