Eigentlich müsste er schon 30 Euro oder mehr für ein Schweinsschnitzel verlangen, sagt der Wiener Gastronom Roland Soyka. Nur wer würde das bezahlen? Soyka betreibt das Lokal Stuwer im zweiten Bezirk in der Nähe des Praters und blickt angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation "angsterfüllt" in die Zukunft: "Die möglichen Preissteigerungen haben wir weitergegeben, mehr geht nicht. Aber die Kosten explodieren, teilweise wird das Geschäft zum Hobby." Während der Lockdowns habe man mit kreativen Take-away-Konzepten reagieren können, aktuell sei man hilflos – weswegen man die Krisen auch "nicht vergleichen kann".

Wer sich den Besuch außer Haus nicht verleiden lässt, überlegt sich derzeit genau, was und wie viel er konsumiert.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Soykas Sorgen sind durchaus begründet. "Die meisten Insolvenzen gab es heuer in den ersten drei Quartalen wie üblich im Baugewerbe, vor allem in Wien rücken aber Gastro und Handel nach und werden immer mehr zu Krisenbranchen", sagt Cornelia Wesenauer vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV). Insgesamt gab es seit Jänner 263 Unternehmenspleiten in Gastronomie und Beherbergung. Verglichen zu 2019 schlägt diese Zahl nicht nach oben aus, damals gab es 415 Insolvenzen im ganzen Jahr, doch die Vorzeichen sind andere.

Es steigen schließlich nicht nur die Kosten für Betriebe, sondern es sinkt auch die Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten – und die Stimmung. Das Konsumklima sei mittlerweile "katastrophal", heißt es in einer Analyse des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes-Kepler-Uni (JKU) in Linz. "Die Erwartungen der Konsument:innen hinsichtlich der unmittelbaren Preisentwicklung pendeln zwischen schwarz und tiefschwarz", konstatiert JKU-Experte Ernst Gittenberger. Die Haushalte stufen ihre wirtschaftliche Lage derzeit noch pessimistischer ein als zu Beginn der Corona-Pandemie.

Wirte buhlen um Gäste

Was das in der Praxis heißt, liegt auf der Hand: Viele geben weniger aus. Das ist auch der Gastronomenbranche bewusst. Gemeinsam mit der Wiener Wirtschaftskammer (WKW) startete ein Kollektiv von Wiener Wirten die Werbekampagne "Mei Wirt is’ wert". Man erhofft sich mehr Wertschätzung und Anerkennung für die Wirtshauskultur – und dass Menschen trotz Krise weiterhin Lokale besuchen. "Während Corona kam es in der Gastronomie zwar zu Überförderungen, doch man darf die Branche jetzt nicht im Stich lassen", sagt WKW-Funktionär Peter Dobcak: "Viele haben nur durch staatliche Unterstützung überlebt, lässt man sie aber jetzt fallen, wäre das Geld absolut verschwendet gewesen."

Verschärft wird die Situation durch den akuten Personalmangel, dieser sei "so groß wie noch nie zuvor". Dabei stelle die Wiener Gastronomie mit ihren 6500 Betrieben und 33.500 Beschäftigten ein Herzstück der österreichischen Unternehmenslandschaft dar. Die sei akut bedroht. Stuwer-Wirt Soyka spürt die Folgen der Krise bereits: "Statt einer Flasche Wein bestellen Menschen nur zwei Gläser, auf Desserts wird öfter verzichtet, und die Nachfrage für Firmenweihnachtsfeiern ist deutlich geringer als früher." Dass Unternehmen nur Speisen und keine Getränke bezahlen, hätte er noch nie erlebt. Heuer schon.

Die Preise in der Gastronomie sind bereits kräftig gestiegen. Die höheren Kosten hätte man aber bei weitem nicht weitergeben können, sagen Gastronomen.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Die Zurückhaltung der Konsumenten und die teils exorbitant gestiegenen Kosten treffen jene Branchen besonders hart, die durch die Corona-Krise mittels teils üppiger Förderungen getragen wurden. "Viele kommen in die hohle Gasse der Insolvenz", sagt Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer. Es sind vor allem Klein- und Kleinstunternehmen in Handel, Gastronomie und Hotellerie, die in die Insolvenz rutschen. Rosiger wird es so schnell nicht, die Konjunkturaussichten sind trüb.

Wenn Betriebe aufgeben

Gerade deswegen sei es dringend geboten, es Unternehmern leichter zu machen, ihren Betrieb aufzugeben, sagt Julia Seidl. Es werde vielen durch "starre und teilweise unsinnige Vorschriften bei Betriebsaufgaben oder auch bei der Auflösung von Betriebsstätten unnötig schwer gemacht aufzugeben", moniert die pinke Tourismussprecherin. Das sei gerade im Tourismus wegen der oft sehr hohen stillen Reserven, die aktiviert werden müssten, mit hohen Kosten verbunden. Seidl hat einen entsprechenden Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht. Sie fordert unter anderem, den Steuerfreibetrag in der sogenannten Aufgabebilanz, der seit Jahren nicht angepasst worden sei, zu erhöhen und zu indexieren.

Finanzberater Gerald Zmuegg, der Klein- und Mittelbetriebe berät, findet, dass man es Unternehmen an allen Ecken und Enden leichter machen müsste – entbürokratisieren sei jetzt so nötig wie schon lang nicht. Zmuegg weiß von vielen Betrieben, die derzeit aufgeben, darunter einige Hotels in Westösterreich. Wer früher einen Gewinn von 240.000 Euro gemacht hat und jetzt bei einem Verlust von 140.000 stehe, wolle und könne eben nicht mehr weitermachen. Was das Thema Liquidität bei den Betrieben betreffe, so sei die Ampel während Corona auf Hellrot gestanden, "jetzt ist sie dunkelrot". (Andreas Danzer, Regina Bruckner, 12.10.2022)