Dass Oppositionsparteien ein von der Regierung vorgelegtes Budget verdammen, gehört zum alljährlichen politischen Ritual. Dennoch gab die Reaktion von SPÖ und FPÖ auf die Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner Grund zum Staunen: Nachdem die beiden Parteien seit Monaten höhere Ausgaben zur Abfederung der Inflation gefordert hatten, darunter kostspielige Eingriffe in die Strom- und Gaspreisbildung, warnten sie am Mittwoch vor ausufernden Defiziten und Schulden.

Finanzminister Magnus Brunner hat mit der Abschaffung der kalten Progression und der Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation vernünftige finanztechnische Reformen gesetzt.
Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGER

Dabei kann man Brunners Zahlenwerk in einigen Punkten kritisieren, aber als verantwortungsloser Verschwender erweist sich der Vorarlberger hier nicht. Dass Österreich im kommenden Jahr trotz der schwierigen Wirtschaftslage und zahlreicher zusätzlicher Ausgaben nach drei Corona-Jahren wieder ein Defizit unter der Maastricht-Schwelle von drei Prozent aufweisen wird, ist eine Leistung. Der Schuldenstand als Anteil der Wirtschaftsleistung ist zwar seit Ausbruch der Pandemie deutlich gestiegen und wird wegen der schwachen Konjunktur im kommenden Jahr weiter wachsen, bewegt sich aber auch im internationalen Vergleich in einem moderaten Rahmen.

Das Problem ist eher, dass Österreichs Budgetpolitik zuvor ein Jahrzehnt niedriger Zinsen zum Durchwursteln genutzt hat. Nun hat Brunner mit der Abschaffung der kalten Progression und der Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation vernünftige finanztechnische Reformen gesetzt, die aber nur geringe Spielräume für andere Politikbereiche lassen. Zwar wird überall etwas mehr budgetiert – beim Heer, bei Umwelt und Klima, in der Bildung und der Pflege, selbst bei Entwicklungszusammenarbeit, Sport und Kultur. Aber das deckt teilweise gerade die Inflation ab und füllt nicht jene oft gewaltigen Lücken, die sich in den Jahren davor eröffnet haben. Eines der reichsten Länder der Welt bleibt in kritischen Bereichen bei einer Mangelwirtschaft.

Inflationsabgeltungen

Die oft überschießenden Corona-Hilfen der letzten Jahre und die neuen, leider wenig treffsicheren Inflationsabgeltungen lassen sich budgetär verdauen, wenn diese Ausgaben tatsächlich auslaufen und nicht zu einer Dauereinrichtung werden. Diese Gefahr besteht: Zu viele Interessengruppen haben sich daran gewöhnt, dass der Staat alles Unbill finanziell abdeckt. Aber auch sonst werden steigende Ausgaben für Zinsen und Pensionen die kommenden Haushalte belasten – vor allem dann, wenn die Inflation zurückgeht, die stets ein wenig Geld in die Staatskassen schwemmt.

Nächstes Jahr sollte sich alles noch ausgehen, solange die Zinsen auf die Staatsschuld nicht explodieren oder das Wachstum abstürzt. Aber irgendwann wird Brunner oder ein Nachfolger den Offenbarungseid leisten müssen. Ohne die schleichenden Steuererhöhungen der kalten Progression und bei automatisch steigenden Sozialleistungen müssen neue Ausgaben nämlich anders finanziert werden: durch mehr Verschuldung, was langfristig unklug wäre, durch neue Steuern, was politisch unpopulär wäre, oder durch Einsparungen in Bereichen, in denen Geld verpulvert wird – was der Föderalismus bisher zu verhindern wusste.

Oder aber es wird wieder nur – mit Grillparzers Worten – "auf halben Wegen mit halben Mitteln" in die Zukunft investiert, was vor allem die Energiewende gefährden würde. Brunners Budget gibt wenig Hoffnung, dass es anders laufen wird. (Eric Frey, 12.10.2022)