Der offizielle Umgang der Stadt Wien mit dem Erbe Karl Luegers ist von Ratlosigkeit und Halbherzigkeiten geprägt. Der Dr.-Karl-Lueger-Ring wurde 2012 nach jahrelangen Debatten umbenannt, der gleichnamige Platz am anderen Ende des ersten Wiener Gemeindebezirks heißt dagegen immer noch nach dem von 1897 bis 1910 regierenden, auf populistischen Antisemitismus setzenden Bürgermeister.

Die Neugestaltung des 1926 errichteten Denkmals wiederum hätte bereits vor über zehn Jahren Wirklichkeit werden sollen, allerdings war das Siegerprojekt des damals ausgelobten Wettbewerbs laut Experten der Stadt technisch nicht umsetzbar. Aus der Neugestaltung des Denkmals wurde nichts, Mahnwachen und Schmierereien weisen bis heute darauf hin.

Die Installation an der Wiener Ringstraße bildet Umrisslinien von sechzehn Wiener Gedenkorten ab, die an Bürgermeister Karl Lueger erinnern.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Jetzt ist das Dahinwurschteln der Stadt mit ihrem in Ungnade gefallenen Sohn um eine neue Zwischenlösung reicher. Eine riesige Sperrholzinstallation zweier österreichischer Künstler soll das Denkmal vorerst für ein Jahr flankieren. Darauf abgebildet sind die Umrisslinien von sechzehn Wiener Gedenkorten, die etwa in Form von Büsten oder Tafeln an den zu seiner Zeit ungemein populären Bürgermeister erinnern.

Zwischenlösung

Ein "diskursives Schaulager" nennt es Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, die wegen des halbherzigen Umgangs der Stadt mit Lueger immer stärker unter Druck geraten war. Dem von einigen Interessengruppen geforderten Abriss des Denkmals erteilte sie eine Absage; bis zur Realisierung eines permanenten Denkmals, das die jetzige Bronzestatue künstlerisch kontextualisieren soll, wird noch einige Zeit vergehen. Der dazugehörige Wettbewerb wird dieser Tage ausgelobt, im Frühjahr ist mit einer Entscheidung zu rechnen. Frühestens in einem Jahr soll dann das Ergebnis stehen.

Bis dahin ist allerdings noch mit vielen Diskussionen zu rechnen. Die gut gemeinte, aber in der Umsetzung arg behelfsmäßig daherkommende Zwischenlösung weckt zwar Aufmerksamkeit, lässt die Betrachter aber ratlos zurück. Antisemitismus werde dekoriert, nicht thematisiert, kritisiert nicht nur die Hochschülerschaft. Die Fragilität der 39 Meter langen Sperrholzkonstruktion lässt zudem Fragen darüber aufkommen, wie lange die Installation in dieser Form bestehen bleibt. Statt ein Provisorium zu errichten, hätte man die Zeit gleich für die Erarbeitung einer permanenten Lösung nutzen können. So aber wurstelt man wie in der Vergangenheit munter weiter. Fortsetzung folgt, Ende offen. (Stephan Hilpold, 12.10.2022)