Finanzminister Magnus Brunner warb bei der Opposition zwecks Krisenbekämpfung um einen Schulterschluss.

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Noch bevor Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sein Manuskript für seine mit Spannung erwartete "Krisenbudgetrede" zurechtrücken und mit seinen Erläuterungen beginnen konnte, hagelte es zu Beginn der Parlamentssitzung außerplanmäßig Kritik von den Oppositionsbänken. SPÖ und FPÖ hielten der Regierung vor, das Parlament wieder einmal nicht ernst zu nehmen, weil sich sieben Minister und Ministerinnen für diese wichtige Budgetdebatte entschuldigt hatten.

Schlüsselressorts für die Zukunft Österreichs wie das Klimaministerium waren abwesend, monierte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. Grünen-Klubchefin Sigrid Mauer sprang der Regierung sofort schützend bei. Die Minister – etwa Umweltministerin Leonore Gewessler – nähmen an internationalen Meetings auf EU-Ebene teil. Probleme seien nicht allein in Österreich zu lösen, da bedürfe es auch Österreichs Politiker vor Ort auf dem internationalen Parkett, konterte Maurer hörbar genervt.

"Globales Krisenumfeld"

Schließlich kam er doch noch zu Wort, der Hauptredner des Tages, Finanzminister Brunner. Besonnen und mit eindringlichen Schilderungen des globalen Krisenumfeldes hatte er sie angelegt. Seine Rhetorik unterschied sich hörbar von jener seines Vorgängers Gernot Blümel, der ja an spitzen, populistischen Formulierungen nicht sparte. Die formal recht unaufgeregte Rede Brunners könnte man ihm natürlich auch als wenig ambitioniert, ja blutleer auslegen.

Trotz scharfer Oppositionskritik verzichtete er in seinen Ausführungen auf große Polemik. Vielmehr versuchte er – fast mit einem kleinen Anflug an Emotionalität –, die Opposition für das dritte Krisenbudget in Folge ins Boot zu holen. Brunner warb um einen "politischen Schulterschluss", damit sich Österreich geeint gegen die Krise stemmen könne. Die Teuerung etwa sei ja keine Frage der politischen Ideologie, argumentierte Brunner. Er bedauerte, dass es diesen Schulterschluss diesmal, anders als in der Pandemie, eben nicht gebe.

Schwerpunkte trotz Krise

"Wir nützen die aktuellen Herausforderungen, um Schwerpunkte zu setzen", betonte Brunner mit Verweis auf milliardenschwere Ausgaben für militärische, soziale und wirtschaftliche Sicherheit sowie die Energiewende, also die ökologische und die digitale Transformation der Industrie.

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Das ist die offizielle Deutung eines Haushalts, der von hohen Ausgaben, hohen Schulden und steigenden Zinsen geprägt ist – und natürlich von den Kosten der Energiekrise samt dazugehörigen Antiteuerungspaketen. Nicht zu vergessen die Berge an Covid-Hilfen in der Höhe von 46,5 Milliarden Euro, die auch noch abzutragen sind.

Die Eckpunkte sind angesichts sprudelnder Umsatz- und Einkommensteuereinnahmen ernüchternd: Der Nettofinanzierungssaldo des Bundes beläuft sich 2023 auf minus 17 Milliarden Euro. Das resultiert aus den gegenüber 2022 um 7,6 auf 115,1 Milliarden Euro steigenden Auszahlungen, denen um 13,7 Milliarden höhere Einnahmen (Einzahlungen) von 98,1 Milliarden Euro gegenüberstehen.

Da hilft die Inflation kräftig mit, sie treibt die Einnahmen an – pro Prozentpunkt Inflation um geschätzt 350 Millionen Euro. 2026 soll der Saldo auf rund 8,6 Milliarden Euro gedreht werden. In absoluten Zahlen steigen die Schulden gemäß dem Bundesfinanzrahmengesetz bis 2026 auf fast 400 Milliarden Euro, davon sind 68 Milliarden neue Schulden.

Und das geht zunehmend ins Geld. Denn die Zeiten billiger Geldaufnahme sind vorbei, Staatsanleihen werden auch aufgrund zu erwartender Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank teurer. Der größer werdende Abstand bei Zinsen gegenüber Deutschland bereitet auch Brunner Sorgen, wie er einräumt. Aufgrund langfristiger konservativer Veranlagung bleibe das Delta von 11,1 Milliarden Euro bis 2026 aber gleich. Der Zinsendienst verdoppelt sich allein im Jahr 2023 von 4,3 auf fast neun Milliarden Euro und dürfte bis 2026 auf elf Milliarden Euro steigen. Das ist doppelt so viel, wie für militärische und innere Sicherheit oder die ökologische Transformation der Industrie ausgegeben wird, erklärtermaßen die Schwerpunkte der Regierung.

Strukturreformen gesucht

Experten mahnen einmal mehr dringend Strukturmaßnahmen ein. Im Budget gebe es keine Spielräume, kritisiert etwa die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Margit Schratzenstaller. Das "offensichtlich von Krisen geprägte Budget" setze wohl strukturelle Akzente in der Pflege, im Klimaschutz, in der Verteidigung und der Entwicklungszusammenarbeit (der notorisch unterdotierte Budgetposten wird aufgestockt) und sei somit "solide". Die automatische Abschaffung der kalten Progression, die automatische Valorisierung von Sozialleistungen und die hohen Aufwendungen für Pensionen schränkten Spielräume ein, deshalb brauche es Strukturreformen, etwa beim ineffizienten Föderalismus. Auch bei Förderwesen und Pensionen sei einiges zu holen.

Bei den Pensionen hakt der liberale Thinktank Agenda Austria ein. Noch stärker als die Subventionsexzesse, bei denen jeder Staatsbürger als bedürftig behandelt werde, treibt das wachsende Pensionsloch die Staatsschulden nach oben. Österreich gebe dafür bereits ein Viertel des gesamten Budgets aus. "Insgesamt 140 Milliarden Euro für ASVG-Pensionisten und Beamtenpensionen bis 2026, das ist ein Riesenproblem", sagt der stellvertretende Direktor, Hanno Lorenz. Allerdings wäre das Defizit auch ohne Krisenhilfen hoch, denn Österreich habe ein Ausgabenproblem. Neuerliche Energiekostenzuschüsse müssten nach Bedürftigkeit ausgeschüttet werden. Für die Datenbasis sollte Finanz- und Digitalisierungsminister Brunner noch heuer sorgen.

Außertourliche Pensionserhöhungen dürften nicht zur Regel, das faktische Pensionsantrittsalter müsse unbedingt angehoben werden, regt Wifo-Expertin Schratzenstaller an.

Auf die "gefährliche und problematische Schere", die durch die "Dynamisierung" der künftig automatischen Inflationsanpassung der Sozialausgaben aufgehe, hatte der Vorsitzende des Fiskalrats und frühere Wifo-Chef Christoph Badelt bereits vor der Budgetrede im Ö1- "Morgenjournal" hingewiesen. Während Ausgaben automatisch stiegen, verringere sich die Einnahmendynamik durch die Abschaffung der kalten Progression, warnte Badelt. Die Umsatz-, Lohn- und Einkommensteuereinnahmen könnten angesichts der wirtschaftlichen Stagnation ausbleiben. (Walter Müller, Luise Ungerboeck, 13.10.2022)