Morfydd Clark als Galadriel in "Ringe der Macht".

Foto: Amazon Prime Video / Matt Grace

"Absolute garbage", "a stupid disaster": Stand die neue Amazon-Serie "Die Ringe der Macht" bereits im Vorfeld wegen unterschiedlichster mehr oder weniger sinnvoller Argumente in der Kritik, hat sich das bis zum Staffelende am 14. Oktober nicht geändert. Tatsächlich ist die "teuerste Serie aller Zeiten" – die geplanten fünf Staffeln wurden mit Kosten von über einer Milliarde Dollar beziffert – nicht ohne Fehler, den anhaltenden Shitstorm hat sie aber nur bedingt verdient.

Handlungsstränge

Das Prequel zu den sechs im "Herr der Ringe"-Universum spielenden Filmen kam erst langsam in die Gänge. Nach einem Rückblick auf das erste Zeitalter des fiktiven Universums, in dem der dunkle Herrscher Morgoth von Elfen und Zwergen mit vereinten Kräften besiegt wurde, wirft die Serie den Zuseher in das zweite Zeitalter und präsentiert als wichtigste Protagonistin die Elbenkriegerin Galadriel, die als kampfhungrige und sture Elfe an eine neue Gefahr aus Mordor glaubt: Sauron. Ganz falsch liegt sie nicht, das wird dem Zuseher schnell vermittelt.

Aber auch andere wichtige Figuren füllen die unterschiedlichen Handlungsstränge der Serie. Natürlich spielen die Zwerge eine Rolle und dazu ein kleines Waldvolk, das eine wichtige Entdeckung in Form eines unbekannten Wesens machen sollte. Immer wieder fallen Namen, die man aus den alten Filmen bereits kennt – und die Neugier wächst, mehr über diese Welt zu erfahren.

Große Fußstapfen

Nicht wenige bezeichnen die "Herr der Ringe"-Trilogie als eine der besten Filmserien aller Zeiten. Zitate wie "Du kommst hier nicht vorbei" oder "Ihr kniet vor niemandem" sorgen auch 20 Jahre nach dem ersten Kinoauftritt bei vielen Menschen für Gänsehaut oder zumindest für angenehme Erinnerungen. So waren die Erwartungen an eine dazupassende Serie, dazu noch so teuer von Amazon produziert, erwartungsgemäß hoch.

Blendet man Diskussionen rund um Hautfarben der einzelnen Figuren aus, bleibt nach der ersten Staffel ein sehr gemischtes Gefühl zurück. Viele Charaktere bleiben über Folgen hinweg blass und schlecht geschrieben. Dialoge wirken aufgesetzt, gelegentliche Zitate wie aus einem Weise-Sprüche-Kalender vom Flohmarkt. Vor allem die sechste Folge gestaltete sich als Weckruf für viele, die die Serie bis dahin mit all ihren Schwächen akzeptierten: Man empfand plötzlich so etwas wie Neugier, wie es mit den Charakteren weitergehen würde, und war emotional involvierter als in den vielen Stunden zuvor. Ein Zeichen dafür, wie die Serie davor und leider auch danach vor sich dahinplätscherte, ohne viel erzählen zu wollen.

Hinzu kommt, dass die Inszenierung oftmals zu sauber für diese vernarbte Welt scheint. Schöne Bilder sieht man in quasi jeder Folge – Wallpaper, für das Smartphone oder den Monitor, könnte man sagen –, aber diese Greifbarkeit, als wäre diese Welt real, die auch die Filme so ausgezeichnet hat, fehlt der Serie fast durchgehend.

Galadriel fühlt sich unwohl

Auch die Besetzung der Serie hilft nicht immer. Morfydd Clark scheint sich nicht immer wohl in ihrer Rolle als Galadriel zu fühlen, vor allem die in ihr schwelende Wut wirkt oftmals bockig, wie bei einem Kind – und nicht so, wie sie die Serienmacher wohl inszenieren wollten. Auch andere mehr oder weniger wichtige Figuren wirken – und das kennt man aus dem Serien-Hype der letzten Jahre kaum noch – schlecht gecastet, mit der jeweiligen Rolle überfordert oder zerbrechen einfach an den platten Gesprächen.

Es gibt aber auch positive Beispiele. Markella Kavenagh als Eleanor Brandyfoot zieht einen wunderbar in die Welt dieses Hobbit-Untervolkes und die kleinen und großen Probleme ihres jungen Lebens. Auch Ismael Cruz Córdova als Elbenkrieger Arondir oder auch Owain Arthur als Zwergenprinz Durin nehmen immer mehr Raum in der Serie ein und können diesen auch mit Charakter oder zumindest unterhaltsamen Handlungsbögen füllen.

Ausblick

Eine Serie, die so im Scheinwerferlicht steht wie "Die Ringe der Macht", kann nicht allen gefallen. Tatsächlich werden zahlreiche Angriffsflächen geboten, die mit einer engeren Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Peter Jackson vielleicht vermeidbar gewesen wären. Der US-Konzern Amazon hat sich anders entschieden und will offenbar das Laufen auf diesem steinigen Boden selbst lernen. Dazu muss man auch ein paar Mal hinfallen, was sich die Serie in der ersten Staffel ein paar Mal erlaubt hat. Potenzial für weitere Staffeln, die auf dieser Basis aufbauen können, gibt es aber ohne Zweifel.

So darf man hoffen, dass die berechtigte Kritik von den Serienmachern aufgegriffen wird und man in der zweiten Staffel mehr Mut beweist, den Charakteren mehr Leben einhaucht und vielleicht sogar am Design der Serie nachjustiert. So viele lieben diese Welt – möge diese Liebe irgendwann ebenso leidenschaftlich erwidert werden. (Alexander Amon, 14.10.2022)