Der Mars ist ein kalter, windiger und trockener Ort mit einer Atmosphäre, die kaum der Rede wert ist – und doch sind die Bedingungen dort beinahe lebensfreundlich: Eine schützende Magnetosphäre, eine dichtere Atmosphäre und ein gewisser Treibhauseffekt könnte die Temperaturen auf ein Niveau heben, bei dem Eis zu Wasser wird. Forschungssonden und Roboter fanden in den vergangenen Jahrzehnten genügend Hinweise darauf, dass auf dem Mars tatsächlich einmal solche Bedingungen herrschten.

Die Reste von Seen, uralte Flussverläufe, Canyons und die Deltas großer Ströme – beim Blick aus dem All erscheint es einem beinahe selbstverständlich, dass flüssiges Wasser die Oberfläche des Mars geformt hat. Gesteinsanalysen von Stellen, die man für Gewässersedimente hält, untermauerten bisher die Vorstellung von einem einst wärmeren, feuchteren Planeten. In den von den Nasa-Rovern Curiosity und Perseverance durchgeführten Bodenstudien fanden sich überdies viele komplexe organische Moleküle – die Grundbausteine des Lebens, wie wir sie kennen.

Die Aufnahme stammt vom Mars-Express-Orbiter der Esa. Zu sehen sind die Spuren eines Flusses, der sich einst auf einem breiten Deltagebiet in den Krater Jezero ergoss.
Foto: ESA/DLR/FU-Berlin

Frühe Marsbewohner

Aktuell wird angenommen, dass vor etwa vier Milliarden Jahren der Mars eine feuchte Periode durchlief. Damals war das planetare Magnetfeld noch stark genug, um Sonnenwind und kosmische Strahlung vom Marsboden weitgehend fernzuhalten. Seen, Flüsse, vielleicht sogar richtige Ozeane beherrschten für einige Hundert Millionen Jahre das Bild. Keine schlechte Umgebung für aufkeimendes Leben, sollte man meinen. Beweise für die Existenz von Mikroorganismen gibt es nicht, aber um einzugrenzen, wo man nach ihnen suchen könnte, entwickeln Wissenschafterinnen und Wissenschafter Theorien, wie Mikroben aussehen müssten, die auf dem junge Mars existiert haben könnten.

Eine sehr plausible Lebensvariante hat sich nun allerdings als Einbahnstraße erwiesen: Möglicherweise haben Mikroorganismen die Atmosphäre vor 3,8 Milliarden Jahren so tiefgreifend verändert, dass sie selbst nicht mehr überleben konnten.

Das mutmaßliche Flussdelta am Rand des Kraters Jezero aus einer anderen Perspektive, aufgenommen vom Mars Reconnaissance Orbiter der Nasa. Der Punkt gibt die aktuelle Position von Perseverance wieder.
Foto: NASA/JPL-Caltech/USGS

Wasserstoff als Lebensgrundlage

Das im Fachjournal "Nature Astronomy" vorgestellte Szenario gründet sich auf Klima- und Geländemodellen und der Annahme, dass der Mars damals eine dichte Gashülle besaß, die reich an Kohlendioxid und Wasserstoff war – beide sehr potente Treibhausgase. Der Wasserstoff sei auch die Energiegrundlage der Mikroorganismen gewesen, spekuliert das Team um den Astrobiologe Boris Sauterey von der Universität Sorbonne in Paris, Frankreich. Ähnlich wasserstoffatmende Organismen existierten auch auf der Erde, wie man von einer Tiefsee-Entdeckung vor elf Jahren weiß.

Die Forschenden gehen davon aus, dass die Wasserstoff verschlingenden und dabei Methan produzierenden Mikroben unter der Oberfläche gediehen, wo sie vor der durchkommenden Strahlung aus dem Weltraum geschützt waren. Bei stabilen Bedingungen über mehrere Hundert Millionen Jahre hinweg könnte sich eine solche Lebensform über die eisfreien Zonen des Mars ausgebreitet haben – zumindest bis das Verhältnis zwischen Wasserstoff und Methan in der Atmosphäre gekippt wäre.

Temperatursturz

Bei den komplexen Computermodellierung zeigte sich nämlich ein fataler Effekt: Das von den Mikroben produzierte Methan kühlte allmählich den Planeten. "Auf dem jungen Mars sorgte Wasserstoff für einen starken Treibhauseffekt. Als die Mikroben den Wasserstoff durch das schwächere Treibhausgas Methan ersetzten, kühlte es merklich ab", erklärte Sauterey. Von ursprünglich minus 10 Grad bis plus 20 Grad Celsius fielen die Oberflächentemperaturen auf minus 60 Grad Celsius, was die Organismen in tiefere, wärmere Bodenschichten trieb.

Die aus mehreren Satellitenbildern kombinierte topografische Karte zeigt den Krater Jezero im Überblick. Das schwarze Oval kennzeichnet das Operationsgebiet von Perseverance.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech/MSSS/JHU-APL/ESA

Doch das bleibt so lange Theorie, bis man die Marsmikroben oder ihre fossilen Überreste tatsächlich vor sich hat. Um sie zu finden, sollte man sich an Orte halten, wo man nicht zu tief graben muss, um sie zu entdecken, empfehlen die Forschenden. "Diese Mikroben wären wahrscheinlich in den wärmeren Regionen näher an der Oberfläche", sagte Sauterey. "Und die wärmsten Orte sind normalerweise die tiefsten Orte." Der Jezero-Krater, wo der Nasa-Rover Perseverance uralte Gesteine anbohrt, sei daher ein guter Platz für die Suche, meinte das Team.

Und heute?

Die spannendste Frage bleibt natürlich, ob solche Organismen irgendwo tief in der Marskruste überlebt haben könnten. "Weil die ursprüngliche Marsatmosphäre großteils verschwunden ist, müssten diese Mikroben auf eine andere Energiequelle ausweichen", sagte Sauterey. "Wir können uns vorstellen, dass ein geologischer Prozess Wasserstoff und Kohlendioxid liefert, von dem diese Mikroben leben könnten." (tberg, 14.10.2022)