Russland will in der Türkei ein neues Verteilungszentrum für Gasexporte aufbauen. Das ist das wesentliche Ergebnis eines Treffens des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Rande einer asiatischen Sicherheitskonferenz in Astana in Kasachstan.

Putin hat Erdoğan vorgeschlagen, die Gaspipeline-Kapazitäten durch das Schwarze Meer auszubauen, um dann zukünftig über die Türkei russisches Gas nach Europa liefern zu können. Und zwar, wie Putin sagte, zu "normalen Preisen", wie sie auch vor dem Krieg üblich waren. Laut russischem Präsidialamt wurde über mögliche Verhandlungen mit der Ukraine nicht geredet. Stattdessen soll auch der Ausbau von Lieferungen von russischem Getreide und von Düngemittel an Länder in Afrika Thema gewesen sein.

Gas statt Ukraine soll das Hauptthema gewesen sein beim Putin-Erdoğan-Treffen.
Foto: Murat Cetinmuhurdar/Turkish Presidential Press Office/Handout via REUTERS

Von Erdoğan gab es zu den Vorschlägen Putins zunächst noch keine Erklärung. Zwar ist für den türkischen Präsidenten die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland wichtig, aber er will die Türkei nicht allzu offensichtlich zum Profiteur der westlichen Sanktionspolitik machen, um nicht den Unmut seiner Nato-Partner auf sich zu ziehen.

Stattdessen hebt Erdoğan immer wieder hervor, dass die Neutralität der Türkei in Wirtschaftsfragen die Voraussetzung dafür sei, dass das Land als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine fungieren könne, was ja auch bei dem Getreideexportabkommen im Juli und beim letzten großen Austausch von Gefangenen bereits Früchte getragen habe.

Bei dem Treffen in Astana scheint es aber in dieser Beziehung keinerlei Fortschritte gegeben zu haben. Putin will nun wohl erst einmal das Treffen der G20-Staaten im November in Bali abwarten, um zu sehen, ob ein Gespräch mit US-Präsident Joe Biden zustande kommt.

An der Seite des Westens

Politisch, betont Erdoğan immer wieder, sei die Türkei ganz an der Seite des Westens, wie auch die Abstimmung in der UN-Generalversammlung am Mittwochabend in New York wieder gezeigt habe. Die Resolution zur Verurteilung der russischen Annexionen in der Ostukraine wurde von der Türkei natürlich mitgetragen. Der türkische Außenminister hat in der Vergangenheit auch schon wiederholt gesagt, Ziel von Verhandlungen müsse selbstverständlich sein, dass Russland das besetzte Gebiet in der Ukraine wieder vollständig räume.

Die Abstimmung in der UN-Vollversammlung war ein voller Erfolg für den Westen. Mehr als jemals zuvor, nämlich 143 Länder, stimmten für die Verurteilung Russlands. Nur Nordkorea, Syrien, Belarus und Nicaragua stellten sich an die Seite Putins. Insgesamt 35 Staaten, darunter China, enthielten sich.

Dieser Erfolg bei der Uno wurde jedoch davon getrübt, dass nicht nur die Türkei, sondern auch die Opec weiterhin gute Geschäfte mit Russland machen will. Gemeinsam mit Russland hatten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate eine Drosselung der Ölförderung beschlossen, was die Ölpreise steigen lässt und Putin weiterhin eine gefüllte Kriegskasse beschert.

Sollte Russland demnächst wieder über die Türkei billiges Gas für einige EU-Länder anbieten, könnte das auch erneut eine Spaltung innerhalb der EU befördern. (Jürgen Gottschlich, 14.10.2022)