Supernovae gehören zu den energiereichsten und spektakulärsten kosmischen Ereignissen. Für kurze Zeit strahlen diese explodierenden Sterne heller als ganze Galaxien. Wann das passiert, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Zwar gibt es zahllose bekannte Rote Riesen, die sich am Ende ihres Lebens als Sterne befinden, doch wer von ihnen als Nächster zur Supernova wird und vor allem wann, wird erst nach und nach der Wissenschaft zugänglich.

Besondere Aufmerksamkeit bekam diese Thematik, als 2020 der wahrscheinlich bekannteste Rote Riese, die Beteigeuze im Sternbild des Orion, sich zu verdunkeln begann. Manche Fachleute mutmaßten, dass es sich um die Vorzeichen einer Supernova handeln könnte. Doch schon bald regten sich Zweifel, als Auslöser wurden stattdessen große Staubwolken vermutet. Schließlich kehrte die Helligkeit zu ihrem normalen Wert zurück, und Beteigeuzes Ende in einer Supernova ist bis auf Weiteres vertagt.

Das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) bildete die Verdunkelung von Beteigeuze zwischen Herbst 2019 und Frühjahr 2020 ab.
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Nun gibt es aber eine neue Studie von Forschenden der Liverpool-John-Moores-Universität und der Universität Montpellier, die im Fachjournal "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht wurde und nahelegt, dass eine Verdunkelung tatsächlich auf das Bevorstehen einer Supernova hindeuten könnte – allerdings bei kleineren Sternen. Dabei handelt es sich um eine Form einer sogenannten Kernkollaps-Supernova vom Typ II-P, die durch Implosion eines einzelnen Roten Riesen entsteht und sich durch eine längere Phase gleichbleibender Leuchtintensität auszeichnet.

Die Forschenden konnten nun feststellen, dass Rote Riesen mit Massen vom Achtfachen bis zum Zwanzigfachen der Sonnenmasse sich tatsächlich verdunkeln, bevor sie zu einer II-P-Supernova werden. Das ist viel kleiner als Beteigeuze, bei der allein der nach der Supernova zurückbleibende Stern die zwanzigfache Masse der Sonne haben soll.

Hundertmal schwächer

Ein Neutronenstern im Sternbild Stier, der aus einer auf der Erde im Jahr 1054 sichtbaren Supernova hervorging. Die Aufnahme ist eine Kombination aus Röntgen-, Infrarot- und Aufnahmen im optischen Lichtspektrum.
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Gewonnen wurde diese Einsicht mithilfe von Computersimulationen, die zeigen, dass das Material, das die Roten Riesen vor ihrer Explosion in ihrer Umgebung ansammeln, so dicht ist, dass kaum noch Licht durchdringt. "Einen Tag vor der Explosion würde das Material den Stern völlig verdunkeln und hundertmal schwächer erscheinen lassen", sagt Benjamin Davies, der Erstautor der Studie.

Doch wie lange vorher wäre dieser Effekt nachweisbar? Um das herauszufinden, konsultierten Davies und sein Team alte astronomische Bilder, die Rote Riesen wenige Monate vor ihre Explosion als Supernova zeigten. Dabei war keine Verdunkelung feststellbar. Daraus schlossen die Forschenden, dass der von ihnen vorhergesagte Intensitätsrückgang danach passiert sein musste.

Für die Forschung könne das ein entscheidender Hinweis zur genaueren Untersuchung von Supernovae sein, sagt Davies: "Bislang konnten wir Supernovae immer erst Stunden nach der Explosion detailliert untersuchen." Mit diesem Frühwarnsystem könnten nun Sterne rechtzeitig vor einer Supernova-Explosion aufgespürt werden und sich so auch die Anfangsphase genauer untersuchen lassen.

Vier Abbilder derselben Supernova, die durch die Verzerrung einer Gravitationslinse entstanden.
Foto: NASA, ESA, and S. Rodney (JHU) and the FrontierSN team; T. Treu (UCLA), P. Kelly (UC Berkeley) and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields Team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI)

Zeitverzögerte Beobachtung

Die Ergebnisse sind ein weiterer Schritt in Richtung der Vorhersage von Supernovae, nachdem bereits diesen September eine Forschungsgruppe der Universität Tokio vorschlug, Neutrinos und Gravitationswellen zur Vorhersage von Supernovae zu verwenden.

Seit wenigen Jahren existiert zudem eine weitere spektakuläre Möglichkeit, die sich des Effekts der Gravitationslinsen bedient. Diese entstehen durch enorme Masseansammlungen wie Galaxien oder Galaxienhaufen, die laut Relativitätstheorie den Raum wie eine Linse krümmen und dahinterliegende Objekte nicht nur vergrößern, sondern manchmal auch vervielfachen. In einem solchen Fall kann es passieren, dass es mehrere Abbilder einer Supernova gibt, die sich in unterschiedlichen Stadien der Explosion befinden. Insbesondere kann die Explosion in einem der Bilder bereits sichtbar sein, während sie bei einem anderen noch bevorsteht. Das erlaubt Forschenden, ihre Teleskope darauf auszurichten.

Die erste mehrfach sichtbare Supernova wurde 2014 von Forschenden der University of California, Berkeley in Aufnahmen des Hubble-Teleskops entdeckt und wird seither beobachtet. Die Zeitverzögerung zwischen den einzelnen Bildern beträgt in diesem Fall einige zig Jahre – die Supernova war einmal vor 50 Jahren und vor 20 Jahren an dieser Stelle zu sehen. In einigen Jahren soll es wieder so weit sein. Darauf warten die Forschenden. (Reinhard Kleindl, 14.10.2022)