Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Elektrogeräte und die Beleuchtung temperieren die Büroräume im Winter.

Foto: Patricia Bagienski-Grandits

Das gesamte Jahr eine Raumtemperatur zwischen 22 und 26 Grad, das aber ohne Heizung oder Klimaanlage und ergo auch, ohne CO2-Emissionen zu verursachen. Was nach Zukunftsmusik klingt, plant die 2226 AG, ein Ableger der Baumschlager Eberle Architekten, mit dem Bürogebäudekomplex Robin in der Wiener Seestadt Aspern. Der Bau entsteht in Zusammenarbeit mit dem Immobilienentwickler Soravia. Der Spatenstich war vergangenen Mittwoch, die Fertigstellung ist für 2024 geplant.

Vorbild von Robin ist das Gebäude 2226 in Lustenau in Vorarlberg, in dem sich seit 2013 auch der Firmensitz von Baumschlager Eberle Architekten befindet. Die Architektinnen und Architekten haben also als Erste getestet, ob der Bau auch im tiefsten Winter hält, was er verspricht. Und das hat er – die Raumtemperatur fiel nie unter 22 Grad.

Daran sind nicht zuletzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich beteiligt. Sie geben nämlich auch in den kalten Wintermonaten genügend Wärme ab, um das Gebäude gemeinsam mit Elektrogeräten und Beleuchtung zu temperieren. Dicke Ziegelwände, eine Stahldecke und dreifach verglaste Fenster machen diese absurd klingende Idee tatsächlich möglich. Das Konzept soll nun in leicht abgewandelter Form auch in der Seestadt Aspern Arbeitsplätze bieten, deren Betrieb ohne CO2-Ausstoß funktioniert.

Der Aufbau

Wie im Haus 2226 werden auch die Ziegelwände im Robin in Zukunft 76 Zentimeter messen. Damit sind sie laut Jakob Pesendorfer, Geschäftsführer von Baumschlager Eberle Architekten in Wien, doppelt so dick wie in herkömmlichen Bauten und dienen wie auch die Stahlbetondecke als Dämm- und Speichermasse. So können Energieströme besser gespeichert und Wärme sowie Kälte abgegeben werden, erklärt der Architekt.

Auch in der Seestadt Aspern werden die Fenster dreifach verglast in einen Holzrahmen gesteckt und im Anschluss weiter als gewöhnlich in Richtung Innenräume in die Ziegelmauer gesetzt. So strahlt im Sommer nur wenig direkte Sonne in die Räume; im Winter hingegen umso mehr.

Die zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Lüftungsflügel der Fenster öffnen, für die entsprechende Luftqualität sorgt aber eine Gebäudesteuerung. Sensoren messen permanent den CO2-Gehalt in der Luft, die Raumtemperatur sowie die Luftfeuchtigkeit. Je nach Bedarf öffnen und schließen die Lüftungsflügel automatisch.

Um auf Nummer sicher zu gehen, haben die Architekten auf Wunsch von Soravia in zwei von drei Bauteilen eine Deckentemperierung eingeplant. Sie funktioniert energieautark. Der Strom kommt aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Deckentemperierung brauche es im Falle eines extremen Außentemperaturanstiegs infolge des Klimawandels, sagt Pesendorfer. "Im Normalbetrieb ist sie nicht nötig." Aktiv wird sie also, wenn überhaupt, nur im Sommer.

Somit fallen bei Robin im systembedingten Betrieb weder Kosten noch CO2-Emissionen für Kühlen und Heizen an, heißt es bei Soravia. Der gesamte CO2-Ausstoß sei um 40 Prozent niedriger als bei konventionellen Gebäuden. Das ist sogar für Gerhard Schuster eine besondere Weiterentwicklung. Als CEO der Wien 3420 Aspern Development AG ist er an energieautarke Plusenergiehäuser gewöhnt.

Bau der Zukunft?

Um die Wichtigkeit derart innovativer Bauten zu unterstreichen, schlüsselt Soravia den Energieverbrauch der Europäischen Union auf: 51 Prozent entfallen demnach auf Heizen und Kühlen von Gebäuden. Mehr als Verkehr (30) und Strom (19) zusammen. Konzepte wie 2226 sind also ein wichtiger Hebel im Kampf gegen die Erderwärmung.

Das wissen auch die Baumschlager Eberle Architekten. Nach Umsetzungen in der Schweiz sind weitere Projekte in Österreich und Deutschland geplant.

Immer mehr münzen sie das Konzept auf Wohnbauten um. Die Herausforderungen sind im Mehrparteienhaus allerdings anders. Sie kommen zwar weiterhin ohne konventionelle Heizung aus, auch hier setzen die Macher auf Körperwärme und Temperatur- sowie CO2-Steuerung der Fensterflügel. Eine entscheidende Änderung gibt es allerdings: Der Warmwasserbedarf der Bewohnerinnen etwa im "2226 Graf Dornbirn" ist um ein Vielfaches höher als in Büros. Daher sind neben einer Photovoltaikanlage auf dem Dach auch 80-Liter-Boiler in den Wohnräumen zur Warmwasseraufbereitung notwendig. Raumtemperaturen zwischen 22 und 26 Grad sind aber ohnehin garantiert. (Julia Beirer, 14.10.2022)