Die Entscheidung, einen wegen wiederholter nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilten Unteroffizier nicht aus dem Dienst zu entlassen, sorgt weiter für Empörung. Auf parlamentarischer Ebene wollen Grüne, SPÖ und Neos die rechtliche Grundlage für den Umgang mit dem Soldaten prüfen und deuten eine Gesetzesänderung an. Juristen halten die Argumente des Bundesheers und den Verweis auf das Beamtendienstrecht aber schon jetzt für Augenauswischerei.

Und die Bundesregierung reagiert auch selbst. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kündigten am Freitagnachmittag an, dass künftig jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei Beamten automatisch zu einem Amtsverlust führen soll – unabhängig von allfälligen disziplinarrechtlichen Schritten. Ein entsprechender Vorschlag soll nun ausgearbeitet werden.

Durch einen Kurier-Artikel wurde bekannt, dass sich der Soldat im Internet in SS-Uniform präsentiert und etwa in der Fußballplatzkantine oder in der Kaserne mehrfach den Hitlergruß gezeigt habe. Auch Knallkörper soll er aus dem Heeresbestand mit nach Hause genommen haben. Vor einem Geschworenengericht wurde er wegen Wiederbetätigung zu zehn Monaten bedingt verurteilt. Von der Disziplinarbehörde setzte es eine Geldstrafe von 4.968 Euro. Der Unteroffizier will das alles unter Alkoholeinfluss gemacht haben.

Die besagte Strafhöhe ist es auch, worauf das türkise Verteidigungsministerium verweist, wenn es um die Frage geht, warum der Soldat weiterhin im Dienst ist. Das Strafgericht hätte durch eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe den automatischen Amtsverlust erwirken können, tönt es da. "Weder das Gericht noch die dafür einzig zuständige Disziplinarbehörde haben eine Entlassung erwirkt", erläuterte Sprecher Michael Bauer dazu auch auf Twitter.

"Einfach unrichtig"

Verfassungs- und Verwaltungsjurist Heinz Mayer hält das für "einen Schmäh". Man hätte den Unteroffizier selbst dann entlassen können, wenn er gerichtlich gar nicht bestraft worden wäre, aber die dienstrechtlichen Überlegungen überwogen hätten. "Ob sich das Gericht für zehn oder zwölf Monate entscheidet, sagt nichts über das Disziplinarverfahren aus."

Es sei also "schlicht und einfach unrichtig", dass dem Disziplinaranwalt deshalb die Hände gebunden gewesen seien, befindet Mayer. Dieser hätte sehr wohl eine Entlassung verlangen können. "Wenn er es nicht von sich aus macht, wäre zudem eine Weisung von Verteidigungsministerin Tanner (Klaudia, ÖVP, Anm.) möglich gewesen."

Auch der Jurist und ehemalige Sektionschef Manfred Matzka, der lange beruflich mit Dienstrecht befasst war, sieht hier einen Handlungsspielraum von Ministerin Tanner, den diese nicht nutzte. "Der Aktenlauf so eines Falles ist nicht einige Tage, sondern viele Monate", sagt Matzka, "die Ministerin muss von dem Fall jedenfalls schon monatelang gewusst haben."

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner will eine Kommission einrichten, die etwaige Rechtslücken finden soll. Experten hegen Zweifel.
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Die Bundesdisziplinarbehörde sei "zwar weisungsfrei, doch der Disziplinaranwalt ist voll in dem jeweiligen Ressort eingegliedert, und er entscheidet, ob und welches Rechtsmittel er beantragt", sagt Matzka im Gespräch mit dem STANDARD. Der Versuch der Ministerin, "das von sich wegzuschieben, verwundert, denn es gibt eine klare Rollenteilung. Die Frage, ob man Amtsbeschwerde gegen die Entscheidung einbringt oder nicht und welche Anträge der Disziplinaranwalt stellt, das lag letztlich alles im Ressort der Ministerin."

Selbst wenn die Behörde der Entlassung nicht einstimmig stattgegeben hätte, wäre per Beschwerde auch noch der Gang zum Bundesverwaltungsgericht möglich gewesen, fügt der Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger an. Einer solchen hätte er "Chancen" eingeräumt.

Da am Ende des Verfahrens beide Seiten sofort Rechtsmittelverzicht einlegten, ist das Urteil "unbekämpfbar", sagt Klaus Hartmann, Leiter der Bundesdisziplinarbehörde, die erst seit 2020 existiert. Er erklärt auch den Ablauf eines solchen Verfahrens. Alle in dem dreiköpfigen Senat, der über Konsequenzen entscheidet, sind selbst Mitglieder des Militärs bzw. des Verteidigungsressorts: Der Vorsitzende ist ein Brigadier, die beiden Beisitzer, beides Unteroffiziere, sind ein Vertreter des Arbeitgebers, der sogenannte Disziplinaranwalt, der als Kläger die in einem Gerichtsverfahren mit dem Staatsanwalt vergleichbare Rolle einnimmt, und ein Vertreter des Arbeitnehmers, gegen den es Vorwürfe gibt.

Impfgegner und FPÖ-Fan

Der Disziplinaranwalt befand laut der Entscheidung vom 15. September 2022 allerdings, dass eine Geldstrafe "ausreichend" sei. Er habe auch dazu geneigt, wie es heißt, dem Soldaten eine zweite Chance einzuräumen. Der Anwalt attestierte dem schuldigen Beamten auch ein einsichtiges Verhalten und eine "ehrlich gemeinte Besserungsabsicht". Auch wisse dieser, dass er "unter strenger Beobachtung steht und im Wiederholungsfall entlassen wird".

Auf seinen Social-Media-Accounts gibt sich der im Gurktal lebende Unteroffizier, der nun in den Küchendienst versetzt wurde, übrigens als leidenschaftlicher Koch, Sportler, Impfgegner und FPÖ-Fan.

Tanner selbst will jedenfalls nächste Woche eine Kommission zur Bekämpfung von "staatsfeindlichen Tendenzen" einrichten. Dort sollen dann Lücken im Beamtendienstrecht und im Strafgesetz eruiert werden. und sei teilte dem STANDARD mit: "Die von der Verfassungsministerin und Justizministerin vorgeschlagene Gesetzesänderung" begrüße sie. (Jan Michael Marchart, Colette M. Schmidt, 14.10.2022)