Wir holzen Bäume zu früh ab, meist schon nach weniger als hundert Jahren. Ließe man sie stehen, würden sie bis zu 250 Jahre alt werden.

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Es knistert beschaulich, ein wohlig warmer Schimmer fällt in den Raum: Wenn im Ofen ein Feuer brennt, kommt Gemütlichkeit auf. Holz hat in Österreich einen guten Ruf, auch als Brennstoff. Durch steigende Gaspreise überlegen aktuell noch mehr Menschen, auf Heizen mit Holz umzusteigen. Und der Brennstoff liegt nahe, denn 48 Prozent der Landesfläche sind mit Wald bedeckt.

Der Kachelofen wird zum "Must-have der nächsten Jahre", heißt es vom Österreichischen Kachelofenverband, der von einer nachhaltigen und krisensicheren Heizform spricht. Doch genau das wird auch kritisiert. Erst 2021 hat eine Gruppe von 500 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern gefordert, das Verbrennen von Holz nicht mehr als klimaneutral zu bezeichnen und damit aufzuhören, es in Milliardenhöhe zu subventionieren. Doch was ist dran? Wie klimaneutral ist Heizen mit Holz wirklich?

Ein großes Aber

Was stimmt: Beim Verbrennen von Holz wird nicht mehr CO2 freigesetzt, als der Baum vorher gespeichert hat, Holz wächst nach, und in Österreich nutzen wir weniger Wald als nachwächst. Doch es gibt ein großes Aber. Expertinnen und Experten kritisieren, dass die zeitliche Komponente in dieser Rechnung völlig außer Acht gelassen wird. Denn klimaneutral sei das Verheizen eines Baumes erst, wenn man auch die Zeit einrechne, bis er wieder nachgewachsen sei, also in 20 bis 50 Jahren, sagt der Ökologe Karlheinz Erb von der Universität für Bodenkultur.

Das spielt deshalb eine Rolle, weil uns die Zeit fehlt. "Wir haben ein urgentes Klimaproblem, es zählen die nächsten paar Jahre", sagt Erb. Die Treibhausgase müssten sofort reduziert werden. Das CO2 von verbranntem Holz lande allerdings prompt in der Atmosphäre. "Da hilft es wenig, dass der Baum in ein paar Jahrzehnten wieder nachgewachsen ist", sagt Erb. Selbst wenn mit Holz tatsächlich fossile Energie ersetzt würde, dauere es mehrere Jahrzehnte, bis diese Effekte die negativen Auswirkungen der Holzernte kompensieren würden. Daher hält Erb es für klüger, den Wald jetzt stehen zu lassen, anstatt großflächig auf das Heizen mit Holz umzusteigen. Hier sind nicht aller einer Meinung. Thomas Schiffert vom Österreichischen Kachelofenverband sagt: "Es geht in dieser Argumentation nicht um den einzelnen Baum, sondern um den Wald insgesamt, und der wächst ja laufend nach."

Zu früh abgeholzt

Ein weiteres Argument von Ökologen ist, dass wir aus Klimasicht Bäume zu früh abholzen, nämlich im Schnitt nach weniger als hundert Jahren. Würde man den Baum weiter wachsen lassen, würde er mindestens 250 Jahre alt werden, sagt Erb. "Das sind 150 Jahre, in denen der Baum weiter Kohlenstoff aufnehmen könnte." Doch auch hier kontert Schiffert: Ein beforsteter Wald sei besser als ein Urwald, da jüngere Pflanzen mehr CO2 aufnähmen als ältere.

Klimaschützerinnen halten den Wald als Speicher für CO2 dennoch für unseren wichtigsten Verbündeten. Österreich hätte ohne Wald um vier Prozent höhere Emissionen. Die Kohlenstoffspeicherung könne so jene Emissionen ausgleichen, die noch nicht vermeidbar sind, und sie gibt uns einen Puffer bis zum Ausstieg aus Öl und Gas.

Erb kritisiert, dass vielen Menschen derzeit unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit zu Holz- oder Pelletsheizungen geraten wird, auch weil die Holznutzung und Waldbewirtschaftung in Österreich traditionell sehr stark sei: "Diese Heizungen kosten viel Geld. Wenn man als Privatperson einmal investiert hat, steigt man natürlich in ein paar Jahren nicht schon wieder um." Erb empfiehlt, gleich Photovoltaik oder Wärmepumpen zu nutzen, die annähernd emissionsfrei sind.

Faktor Feinstaub

Der Kachelofenverband sowie Rauchfangkehrerinnen und Rauchfangkehrer fordern hingegen aktuell verpflichtend Rauchfänge in allen Wohnungen, "um in Krisenzeiten unabhängig zu sein". Ökologe Erb hält das teilweise für bedenklich: "Wenn in Städten wie Wien viele Menschen anfangen, mit Holz zu heizen, entsteht ein ernsthaftes Feinstaubproblem."

Schiffert vom Kachelofenverband beruhigt: In Österreich könnten rein von den Kapazitäten her nicht mehr als 10.000 Kachelöfen jährlich gesetzt werden. "Ja, einige Holzöfen werden aktuell wieder in Betrieb genommen, aber eine große Zusatzbelastung sehe ich nicht", sagt er und betont, dass alle Arten von Öfen für nur vier Prozent der Feinstaubbelastung in Österreich verantwortlich seien und allein die Feuerwerkskörper in der Silvesternacht so viel Feinstaub produzierten wie alle Kachelöfen in einem Jahr. Durch Kachelöfen gebe es keine Verschlechterung der Luft, ist Schiffert sicher.

Nur Reststoffe nutzen

In bestimmten Fällen hält auch Erb die energetische Holznutzung für sinnvoll, etwa wenn keine Alternativen möglich sind. Doch auch dann, sagt der Experte, sollten nur Reststoffe verbrannt werden. Dass dem so ist, bestätigt Schiffert: "Brennholz ist in Österreich typischerweise ein Nebenprodukt, das bei der Herstellung von Möbeln oder Bauholz anfällt. Kein einziger Baum wird geschlagen, um Brennholz herzustellen", sagt er.

Doch auch hier gibt es Kritik, so haben deutsche Journalistinnen recherchiert, dass in der EU sehr wohl auch ganze Baumstämme verheizt oder für die Herstellung von Pellets verwendet werden – obwohl die Unternehmen das meist anders angeben. Hier besteht die Gefahr, dass Monokulturen gepflanzt werden, die gut verheizt werden können, aber schlecht für die Biodiversität sind.

Und wie können wir unseren Wald nun nutzen? Ökologe Erb rät zu einem sparsamen Einsatz unserer Ressourcen und dazu, Holz mit Maß und Ziel zu verbauen, weil es dann als CO2-Speicher erhalten bleibt. Das Heizen mit Holz sei in Österreich hochpolitisch, "weil es hier extrem viele finanzielle Interessen gibt". Nicht zuletzt, sagt Erb, sei in der Diskussion mehr Unaufgeregtheit wünschenswert – zugunsten des Klimaschutzes. (Bernadette Redl, 15.10.2022)