Xi Jinping wird wohl zum mächtigsten Führer seit Maos Tod im Jahr 1976 werden.

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In China steht ab Sonntag wieder der Parteitag der Kommunistischen Partei an – und wie immer gleicht dies einer Mammutveranstaltung. Als fix gilt, dass Machthaber Xi Jinping eine dritte Amtszeit erhält. Doch was hat er mit dem Land vor? Und mit welchen Problemen hat er zu kämpfen?

Frage: Wie fest sitzt Xi im Sattel?

Antwort: Alle fünf Jahre findet in China der Kongress der Kommunistischen Partei statt. Unter den mittlerweile 97 Millionen Mitgliedern werden viele Gremien neu besetzt. Der Parteitag findet ab 6. Oktober in der Großen Halle des Volkes in Peking statt. Zunächst treffen 2.296 Delegierte des Nationalkongress dort ein, die dann rund 350 Mitglieder des Zentralkomitees wählen. Freie Wahlen sind dies jedoch nicht. Die inneren Mechanismen der Partei sind opak. Fest steht allerdings, dass Xi noch mehr jüngere, ihm loyale Kader in den inneren Führungskreis befördern wird. Unter seiner Ägide haben sowohl Personenkult, Propaganda, Zensur als auch die Unterdrückung von Minderheiten enorm zugenommen. Auch die strikte Zero-Covid-Politik des Landes, unter der Millionen leiden, ist Xi Jinping zuzuschreiben. All dies kann man als Zeichen der Stärke oder eben auch der Schwäche und Paranoia lesen. Tatsache aber ist, dass es Xi wohl gelingen wird, sich auf dem Parteitag für eine dritte Amtszeit vereidigen zu lassen. Er wird daher zum mächtigsten Führer seit Maos Tod im Jahr 1976 werden.

Frage: Wie geht es wirtschaftlich weiter?

Antwort: 2020 verkündete Peking das Erreichen eines stolzes Ziels: Der Partei sei es gelungen, die Armut im Land völlig auszurotten. Auch wenn bei den Zahlen hier und da getrickst wurde, so ist es kaum möglich, in China Menschen zu finden, denen es materiell schlechter geht als vor 20 Jahren. Rund 300 Millionen Menschen ist in dieser Zeit der Aufstieg in die Mittelschicht gelungen – mit all ihren Insignien wie Auto, Urlaub und Eigentumswohnung. Für die Herrschaft der Partei war dies ein stabilisierender Faktor, der kaum zu unterschätzen ist. War. Denn ausgerechnet diese Säule bröckelt gerade: Seit bald einem Jahr befindet sich der zweitgrößte Immobilienkonzern des Landes, Evergrande, in einer verschleppten Insolvenz. Das Unternehmen ist nur die Spitze des Eisbergs: Chinas Immobilienbranche, die rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist am Kollabieren, was immer wieder auch zu Protesten im Land führt. Bisher bekämpfte die Regierung solche Probleme mit mehr Geld. Doch die Überschuldung durch zu viel billige Kredite hat das Problem erst verursacht. Hinzu kommen die Lockdowns, die immer wieder Teile des Landes lahmlegen und den Konsum hemmen. Um 2,8 Prozent dürfte die chinesische Wirtschaft dieses Jahr wachsen, so eine Prognose der Weltbank. Klingt viel, ist aber zu wenig für ein Land wie China – und eine Partei, die ihre Legitimation auf Wirtschaftswachstum aufbaut. Hinzu kommt das Demografieproblem: Aufgrund der mittlerweile abgeschafften Ein-Kind-Politik überaltert die chinesische Gesellschaft.

Frage: Was ist von der Außenpolitik zu erwarten?

Antwort: Xi Jinping hat immer wieder deutlich gesagt: Sein erklärtes Ziel ist die "Wiedervereinigung mit Taiwan". Eine militärische Invasion wäre die ultimative Konfrontation mit dem Konkurrenten USA, die die Insel seit Ende des Bürgerkriegs 1949 militärisch und wirtschaftlich unterstützen. Aber auch im Südchinesischen Meer zündelt Peking am Status quo: Immer wieder gibt es Streitigkeiten mit den Anrainerstaaten um unbewohnte Inseln, die sich hilfesuchend an die USA wenden. Dabei war das Verhältnis der beiden Supermächte von immer enger werdenden Handelsbeziehungen geprägt. Peking aber unterlief immer wieder Regeln wie Patentschutz oder gleiche Bedingungen bei öffentlichen Ausschreibungen, die eigentlich für alle Mitglieder der Welthandelsorganisation gelten. Unter Präsident Donald Trump wurde aus der Rivalität ein regelrechter Handelskrieg. Gerade erst hat die Biden-Administration ein Gesetz erlassen, das China quasi von der amerikanischen Halbleitertechnologie abschneiden soll.

Frage: Was strebt China langfristig an?

Antwort: Unter Xi Jinping ist China nach Jahrzehnten der Isolation wieder expansiv auf der Weltbühne. Das Projekt, das er sogar in die Verfassung aufnehmen ließ, heißt "Die neue Seidenstraße". Im Rahmen dessen vergibt Peking großzügig Kredite in Asien und Afrika. So sollen Absatzmärkte für chinesische Waren, aber auch Zugang zu Rohstoffen und Abhängigkeiten geschaffen werden. Bevorzugt handelt Peking dabei mit korrupten Autokraten, vor allem in Zentralasien und dem Nahen Osten ist das Geld aus China deswegen beliebt. Anders als Investitionen aus dem Westen sind diese eben nicht an Umweltauflagen und Menschenrechte geknüpft. Auch Überwachungstechnologie aus China wird gerne gekauft. Peking strebt auch eine multipolare Finanzordnung an. Der Yuan soll mit dem US-Dollar als Leitwährung gleichziehen, weswegen langfristig mehr bilateraler Handel in Renminbi abgewickelt werden soll. Für nahezu alle Staaten auf der neuen Seidenstraße ist China mittlerweile der wichtigste Handelspartner. Xi selbst spricht immer wieder von "Veränderungen, wie sie nur alle 100 Jahre passieren". Damit meint er eine neue Weltordnung, eine "multipolare Welt", in der der Volksrepublik eine gewichtigere Rolle zukommt. Dem internationalen Ansehen des Landes nützt das wenig: Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center aus Washington hat das Image des Landes fast in allen befragten Ländern stark gelitten. (Philipp Mattheis, 16.10.2022)