Dass sich Adolf Hitler am 30. April 1945 selbst getötet hat, hindert Menschen nicht daran, 77 Jahre später angeblich "witzige" Bilder von ihm zu verbreiten, wie sich beim Prozess gegen einen 45-Jährigen in Wien zeigt.

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Wien – Richterin Magdalena Klestil-Krausam scheint eigentlich eine durchaus humorbegabte Person zu sein. Als Vorsitzende des Geschworenenprozesses gegen Wolfgang L. stößt sie aber an ihre Grenzen: Sie kann nicht erkennen, was an den fast 70 von der Polizei sichergestellten Whatsapp-Nachrichten witzig sein soll, die dem 45-jährigen einschlägig Vorbestraften eine neuerliche Anklage wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eingebracht haben.

Das ist aber die Verteidigungslinie, die der Selbstständige und sein Verteidiger Sascha Flatz gewählt haben. "Die Bilder hatten einen vermeintlich witzigen Inhalt", argumentiert L., warum er von 2013 bis 2020 die inkriminierten Nachrichten an Freunde und Bekannte verschickt hat. "Die humoristische Komponente war also das Hauptmotiv?", versichert die Vorsitzende sich, was der Angeklagte bejaht. Klestil-Krausam blättert im Akt. "Da haben wir zum Beispiel ein Bild von Wehrmachtssoldaten, die Liegende erschießen, darunter steht 'Asylantrag abgelehnt'. Wo ist da jetzt der Witz?", will sie wissen.

Hitler und die Rehkitze

Sie präsentiert ein anderes Beispiel: "Da ist eine Aufnahme von Hitler am Heldenplatz, darunter steht 'Hallo Wien'?", vermisst sie auch hier die Pointe. "Das war zu Halloween", verweist der Selbstständige auf ein Wortspiel. Bei einem anderen Bild, das den österreichisch-deutschen Diktator mit Rehkitzen zeigt, verweist er auf den Welttierschutztag, an dem er es versandt hatte. "Aha. Und zum Welttierschutztag schickt man ein Hitler-Bild?", kann die Vorsitzende nicht ganz folgen. Noch dazu, da L. das Bild nicht nur am 4. Oktober, an dem seit 1931 ein Aktionstag zum Tierschutz begangen wird, übermittelt hat, sondern an eine andere Empfängerin im Februar. "Das ist aus dem Zusammenhang gerissen, da ging es auch um Tierschutz", beteuert der Angeklagte.

L. fühlt sich überhaupt ein wenig ungerecht behandelt, da er in den sieben Jahren ja tausende Bilder geteilt hatte, die er großteils selbst empfangen habe. "Wer Whatsapp verwendet – ich verwende es nicht mehr –, das geht sehr leicht von der Hand", argumentiert er. Beisitzerin Sonja Weis ist offensichtlich eine Digital Native: "Ja, aber normalerweise schickt man ja nur die Bilder weiter, die gut sind", wirft sie ein. "Man kann das witzig finden, wenn man will", beharrt der Angeklagte.

Einschlägige Mokkatassen in der Wohnung

Ein weiterer Anklagepunkt betrifft zwei Mokkatassen mit Hitler-Konterfei und der Aufschrift "Ein Volk, ein Reich, ein Führer", die in seiner Küche gefunden wurden. Die seien im Gegensatz zur Anklageschrift aber nicht offen sichtbar gewesen, sondern in einer Schublade gewesen, bekennt L. sich dazu nicht schuldig. Er habe die Trinkgefäße vor rund zehn Jahren von einem Freund geschenkt bekommen, verstaut und nie benutzt. "Man muss ja nicht jedes Geschenk behalten", meint Vorsitzende Klestil-Krausam dazu. "Ich habe es einfach vergessen."

Und dass es ein Foto gibt, auf dem L. und ein weiterer Mann zu sehen sind, wie sie den "Hitlergruß" zeigen? "Das war bei einer Geburtstagsfeier bei Frau K. – es wurde was getrunken, und da wurde halt herumgeblödelt", wiegelt der Angeklagte ab. Klestil-Krausam verrät dazu, dass auch sie bereits bei Privatveranstaltungen Alkohol konsumiert habe, sie deshalb aber noch nie den rechten Arm gereckt habe.

Interessanterweise bekennt L. sich zwar ursprünglich zu den Nachrichten und dem Hitlergruß schuldig, als ihn die Vorsitzende aber konkret fragt, ob er damit den Nationalsozialismus verharmlosen oder verherrlichen wollte, leugnet er aber. Es sei alles witzig gemeint gewesen, sagt er. Verteidiger Flatz kann ihn dann zumindest dazu bringen, einzugestehen, dass man es auch kritisch sehen könne.

Viele Bekannte in der rechten Szene

Wobei der Angeklagte in rechten Kreisen durchaus kein Unbekannter ist. Zahlreiche der angeklagten Botschaften gingen an andere Szenemitglieder, daheim verwahrte er seit 2018 den Nachlass eines 2013 im Zusammenhang mit dem neonazistischen Verein "Objekt 21" Verurteilten auf. Auch Gottfried Küssel kenne er, gibt er zu. "Wo lernt man den kennen?", interessiert die Vorsitzende. "Das war bei einer FPÖ-Veranstaltung ursprünglich", erinnert L. sich.

Dass er auf einer Fotografie aus dem Jahr 2021 bei einer Demonstration ungemein besorgter Bürgerinnen und Bürger gegen die Covid-19-Schutzmaßnahmen der Bundesregierung mit Küssel und dessen Gattin zu sehen sei, habe nichts zu bedeuten. "Ich war auf fast jeder Corona-Demo", das habe aber nichts mit Küssel zu tun. Erhellend auch seine Begründung, warum in den inkriminierten Nachrichten mitunter die Anrede "Heil dir!" vorkommt: "Das ist kein ungewöhnlicher Gruß in patriotischen Kreisen."

Die Anwendbarkeit des aus dem englischen Sprachraum stammenden "Enten-Tests" – dass etwas, was aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente wahrscheinlich eine Ente ist – bestreiten aber Angeklagter und Verteidiger. "Mein Mandant ist kein Nazi", betont Flatz in seinem Schlussplädoyer und bittet um eine zweite Chance für L., der im September 2020 wegen eines Facebook-Postings zu 18 Monaten bedingter Haft wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde. Seit damals habe er sich wohl verhalten, betont der Verteidiger.

Angeklagter will kein Neonazi sein

L. sagt in seinem Schlusswort: "Ich war nie politisch aktiv, bei keiner Partei, bei keinem Verein. Sie können meine Bekannten fragen, wenn das Thema darauf gekommen ist, habe ich immer klar Stellung bezogen, dass das Dritte Reich verbrecherisch war", weist der Angeklagte jegliche verpönte Gesinnung zurück.

Die Laienrichterinnen und -richter sehen das nach vier Stunden Beratung in mehr als der Hälfte der angeklagten 69 Punkte anders und sprechen ihn schuldig. Da die inkriminierten Handlungen bereits vor der Verurteilung im Jahr 2020 gesetzt wurden, geht es um eine Zusatzstrafe – und diese beträgt weitere 14 Monate bedingt, insgesamt hat L. damit also 32 Monate bedingt offen.

Ein Geständnis habe es nicht gegeben, erläutert Klestil-Krausam in der Begründung des Strafausmaßes, besonders hinsichtlich der subjektiven Tatseite kann sie keinerlei Gesinnungswandel erkennen. Dennoch sei es "gerade noch möglich" gewesen, es bei einer bedingten Strafe zu belassen. Während der Angeklagte nach kurzer Rücksprache mit seinem Verteidiger die Entscheidung akzeptiert, gibt die Staatsanwältin keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 14.10.2022)