Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, unter welchem zeitlichen Horizont Eheverfehlungen rechtlich relevant sein können.

Vielen Menschen ist bekannt, dass in Österreich nach wie vor das Verschuldensprinzip gilt. Die meisten Menschen haben auch ein ungefähres Gefühl dafür, dass bestimmte Verhaltensweisen wie etwa Untreue in einem Scheidungsverfahren nachteilig sein könnten. Das ist grundsätzlich auch richtig. Kann einer Person vor Gericht das alleinige oder überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe nachgewiesen werden, kann das für diese Person unangenehme finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.

Gravierendes Fehlverhalten in der Ehe ist für den Fall einer Scheidung relevant – aber nicht auf unbestimmte Zeit.
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Weit weniger bekannt ist der Umstand, dass Eheverfehlungen – salopp ausgedrückt – auch ein bestimmtes Verfallsdatum haben. Möchte man aufgrund eines gravierenden Fehlverhaltens des Partners oder der Partnerin die Scheidungsklage erheben, hat man dafür nicht unbegrenzt Zeit. Eheverfehlungen haben nicht gerade das Verfallsdatum von Milchprodukten, aber besonders lang Zeit hat man nicht, um tätig zu werden. Grundgedanke ist, dass ein jahrelang zurückliegender Fehltritt nicht wie ein Damoklesschwert über einer Person schweben soll.

Welche Fristen gibt es zu beachten?

Es gibt keine absoluten Scheidungsgründe mehr, wie das früher der Fall war. Auch Untreue ist beispielsweise kein absoluter Scheidungsgrund mehr und führt auch nicht in jedem Fall automatisch dazu, dass man ein Scheidungsverfahren verliert. Auch im Fall eines Ehebruchs hat eine Verschuldensabwägung vom Gericht stattzufinden und sind die Verhaltensweisen der Eheleute abzuwägen. Konkret muss die schwere Eheverfehlung kausal, also der Grund für das Scheitern der Ehe gewesen sein.

Grundsätzlich hat man für das Einbringen einer Scheidungsklage wegen eines Fehlverhaltens beziehungsweise einer Eheverfehlung des Partners oder der Partnerin ab dem Zeitpunkt, zu dem sie einem bekannt ist, sechs Monate Zeit. Diese Frist kann sich unter Umständen verlängern. Wenn es sich um ein fortgesetztes Fehlverhalten wie zum Beispiel eine andauernde außereheliche Beziehung handelt oder wenn eine Person aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist und die eheliche Wohngemeinschaft aufgehoben ist, kann diese Verjährungsfrist gehemmt werden. Dennoch ist ein Zeitraum von sechs Monaten ab Kenntnis keine sehr lange Zeitspanne. Der Ehepartner oder die Ehepartnerin soll zwar eine Überlegungsfrist haben, gleichzeitig soll man sich Eheverfehlungen auch nicht auf Vorrat aufbehalten können, um sie später möglicherweise einmal verwenden zu können, wenn es gerade passt. Immer wieder müssen sich auch Familiengerichte mit der (vermeintlichen) Verjährung von Eheverfehlungen beschäftigen. Vor kurzem hatte sich auch der Oberste Gerichtshof damit auseinanderzusetzen (OGH 27.7.2021, 4 Ob 56/21w).

Im konkreten Fall besaß der Ehemann eine kinderpornografische Sammlung. Das Ehepaar war bereits lange verheiratet. Die Ehefrau entdeckte die Sammlung ihres Mannes und hatte mehr als sechs Monate Kenntnis davon, ohne die Scheidungsklage einzubringen. Die Ehefrau war nämlich der Meinung, der Besitz von Kinderpornografie würde eine fortgesetzte Eheverfehlung darstellen. Das Gericht sah das anders. Es sei zwar klar, dass der Besitz von Kinderpornografie eine Eheverfehlung sei, die einen Scheidungsgrund darstelle. Es handle sich aber nicht um eine fortgesetzte Eheverfehlung. Eine Scheidung aus Verschulden kam deshalb laut dem OGH aufgrund der Fristüberschreitung nicht mehr infrage. Dass die Frau ihren Gatten bereits zuvor bei der Polizei angezeigt hatte, änderte daran nichts.

Absolute Frist von zehn Jahren

Außerdem gibt es noch eine zweite wesentliche Frist in diesem Zusammenhang zu beachten: Liegt eine Eheverfehlung mehr als zehn Jahre zurück, kann sie jedenfalls nicht mehr geltend gemacht werden. Das nennt man die absolute Verjährungsfrist. Erfährt man beispielsweise, dass der Ehepartner sich vor zwölf Jahren auf einer Studienreise einen betrunkenen Fehltritt geleistet hat, kann man das Scheidungsbegehren darauf nicht mehr stützen.

Welche Rolle spielt die Verzeihung?

Wenn ein Ehepartner oder eine Ehepartnerin der anderen Person verziehen hat oder ihr Verhalten nicht als ehezerstörend empfunden hat, kann keine Scheidung aus Verschulden des anderen mehr begehrt werden. Die ältere Rechtsprechung hat Verzeihung regelmäßig dann angenommen, wenn es nach Kenntnis des Fehlverhaltens noch regelmäßigen ehelichen Geschlechtsverkehr gab. Einmaliger Sex war beispielsweise nicht ausreichend. Die jüngere Rechtsprechung sieht das aber differenzierter und geht nicht automatisch von Verzeihung aus, wenn weiterhin das Bett geteilt wird. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob aus dem Gesamtverhalten der verletzten Person die Wiederherstellung einer umfassenden Lebensgemeinschaft angenommen werden kann. Zum Beispiel auch durch gemeinsames Verreisen beziehungsweise Freizeitgestaltungen – oder indem man dem eigenen Partner oder der eigenen Partnerin weiterhin freundschaftlich verbunden ist. (Theresa Kamp, 3.1.2023)