"Uns ist der Geduldsfaden gerissen", sagte Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) an der Seite von Fachleuten aus dem Klimarat.

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Wien arbeitet an einem eigenen Klimaschutzgesetz. Man wolle nicht mehr auf den Bund warten und habe entsprechende Schritte gesetzt, berichtete Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) am Freitag im Gespräch mit Journalisten. Das Vorhaben, das im Lauf des kommenden Jahres umgesetzt werden soll, war auch Thema bei der jüngsten Sitzung des Wissenschaftsbeirats des Klimarats, der die Stadt in Klimafragen berät.

Das Advisory Board des Wiener Klimarats wird in regelmäßigen Abständen teilweise neu besetzt. Zuletzt erfolgte wieder eine Rochade. Neu im Team sind seither die Juristin Dragana Damjanovic (Institut für Raumplanung an der Technischen Universität Wien), der Energiewissenschafter Keywan Riahi vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), die Mitbegründerin von Fridays for Future in Österreich, Katharina Rogenhofer, sowie die Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Auch der Vorsitz rotiert – aktuell hat ihn Simon Tschannett vom meteorologischen Dienstleistungs- und Forschungsunternehmen Weatherpark inne.

Diese Expertinnen und Experten unterstützen die Stadt bei der Umsetzung ihres selbst gesteckten Ziels, bis 2040 klimaneutral zu werden. Das ist jedenfalls im Wiener Klimafahrplan, der vom Klimarat bereits präsentiert und Anfang des Jahres vom Gemeinderat beschlossen wurde, so formuliert. Um dieses Ziel zu erreichen, wären nach Ansicht Wiens aber bundesweite Vorgaben nötig. Wichtige Regelwerke wie das Klimaschutzgesetz seien jedoch ausständig, wurde vonseiten des Klimarats und der Stadtpolitik kritisiert.

Wien will nicht auf Bund warten

Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat zwar ein Klimaschutzgesetz versprochen, kann aber seit zwei Jahren keines vorlegen. Denn: Der Koalitionspartner ÖVP hat ziemlich deutlich gemacht, dass er kein Interesse an einem derartigen Gesetz hat. Die Folge: Das Vorhaben liegt auf Eis.

Wien ist nun der Geduldsfaden gerissen, wie es Czernohorszky formulierte. Eigentlich hatte die Stadt geplant, vor dem Beschluss eines eigenen Klimaschutzgesetzes jenes des Bundes abzuwarten. "Wenn es keine Regeln gibt auf Bundesebene, dann müssen wir unseres eben vorziehen", sagte der Stadtrat. Das Gesetz sein bereits in Arbeit und die Stoßrichtung im Klimafahrplan vorgegeben. "Wir wollen nun die Dinge, auf die wir uns geeinigt haben, gesetzlich festlegen."

Notfalls müsse man das Wiener Gesetz ändern bzw. anpassen, wenn dann ein bundesweites Gesetz verabschiedet werde, hieß es. Festgeschrieben werden sollen etwa verbindliche Klimaschutzziele und deren Überwachung. Angedacht sei ein Selbstbindungsgesetz, erläuterte Juristin Damjanovic. Das heißt: Aus dem Gesetz entstehen keine Rechtsansprüche für einzelne Personen, Klimaschutz wird dadurch also nicht von Bürgerinnen und Bürgern einklagbar.

Konkretere Strategie für Gasausstieg

Diskutiert hat der Klimarat in der jüngsten Sitzung auch konkrete Maßnahmen wie einen Fachkräfte-Aktionsplan, um die Zahl der Auszubildenden im Bereich der Klimajobs zu erhöhen. Denn es fehle etwa Personal für die Montage von Solaranlagen. Auch die Frage des Gasausstiegs in Wien – wo der Anteil im Bundesvergleich am höchsten ist – wurde debattiert. Damit zusammenhängend wurden Sanierungsinitiativen vorgeschlagen. Mieten für nichtsanierte Objekte könnten etwa gedeckelt werden, befand man. Bis Anfang des Jahres will die Stadt eine konkretere Strategie zum Gasausstieg für Wien vorlegen, kündigte Czernohorszky an.

Generell sei es auch nötig, sich die Frage der Förderungen oder auch des Abgabensystems in den Gemeinden anzusehen, betonte Ökonomin Schratzenstaller. "Ich denke, es gibt schon auch Hebel auf kommunaler Ebene." Bei den Subventionen könnte etwa klimafreundliches Verhalten unterstützt werden, schlug sie vor.

Position zu Lobautunnel offen

Kein Thema bei der jüngsten Sitzung – also der ersten mit den neuen Mitgliedern – war das Thema Verkehr. Dieses soll zu einem späteren Zeitpunkt besprochen werden. Laut Riahi verursacht die Mobilität immerhin 40 Prozent der Emissionen in Wien.

Ob das Gremium Zustimmung oder Ablehnung zu umstrittenen Projekten wie Nordostumfahrung oder Lobautunnel formulieren wird, bleibt aber offen. Man sei ein Beirat, der die wissenschaftliche Evidenz prüfe. Entscheiden müssen die Politik, gab Riahi zu bedenken.

Auch Rogenhofer betonte, dass zu diesem Thema noch kein Standpunkt erarbeitet worden sei. "Ich glaube, mein Standpunkt ist aber klar", sagte sie. Den Bau neuer Autobahnen hat sie bereits wiederholt kritisiert. (APA, red, 14.10.2022)