Eine "Diskriminierung von Tirolern"? Gar ein Gewaltaufruf gegen leitendes Personal? Stefanie Sargnagels Sujets für "#etwaslaeuftfalsch" entzweien die Öffentlichkeit.

Foto: etwaslaeuftfalsch / Stefanie Sargnagel

Wie ist dem Personalmangel in unbeliebten Branchen beizukommen? In Tirol versucht man es derzeit mit Werbung im öffentlichen Raum. Auf Plakaten posiert eine glückliche Hausfrau mit Wischmopp und Putzkübel unter dem Schriftzug: "Nur in der Ehe haben Sie Zukunft", geboten wird eine Stelle als Ehefrau / Köchin für 168 Stunden pro Woche und 280 Euro Monatslohn, selbstverständlich "ohne Pensionsbeiträge und eigene Versicherung". Eine Provokation? Nicht wirklich. Über das Motiv der tschechischen Künstlerin Kateřina Šedá, das stereotype Rollenbilder und die Benachteiligung von Frauen plakativ auf die Spitze treibt, habe sich bislang seltsamerweise niemand empört, sagt Angelika Burtscher von der Südtiroler Plattform für Kulturproduktion und Gestaltung Lungomare.

Protest von Eltern

Ganz anders sieht es mit Plakaten aus, die der italienische Künstler Aldo Giannotti und die Wiener Autorin und Illustratorin Stefanie Sargnagel für die von Lungomare initiierte Kunst-im-öffentlichen-Raum-Aktion #etwaslaeuftfalsch entworfen haben. Auf einem von Giannottis Plakaten ist ein stilisierter Penis zu sehen, dazu der Schriftzug "Rechtfertigt das deine Gewalt?". In Lienz in Osttirol haben Eltern protestiert, nachdem das Sujet neben einer Schule plakatiert wurde. Anderswo wurde es wegen "Sittenwidrigkeit" erst gar nicht aufgehängt.

Private Firmen, die Werbeflächen im Außenraum vermieten, aber auch die ÖBB hätten bei jeweils unterschiedlichen Motiven Bedenken angemeldet und sie deshalb vorsorglich aussortiert, berichtet Burtscher. Das betrifft auch die beiden Sargnagel-Plakate, "Im Märchen tötet der Prinz den Drachen. In Tirol seine Ex" steht auf einem davon zu lesen, "Alle töten ihre Frauen, niemand tötet seinen Chef" auf dem anderen. Darin hätten manche die "Diskriminierung von Tirolern" und einen "Gewaltaufruf gegen Chefs" geortet, gab Sargnagel selbst kürzlich in einem Instagram-Post bekannt. Und bedauerte, dass anstatt über Gewaltschutz nun "über die Moral der Motive" geredet werde.

Häusliche Gewalt sollte eigentlich empören

Einige Motive könnten von manchen durchaus als provokant empfunden werden, räumt Burtscher ein, eigentlich seien es aber die erschreckenden Zahlen, die für Empörung sorgen müssten. Via QR-Codes auf den Plakaten gelangt man zu diesen Zahlen: Mit Stand 31. August 2022 wurden allein in diesem Jahr österreichweit mutmaßlich 25 Frauen ermordet – häufig von ihren (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern. Allein in Tirol wurden im Jahr 2021 insgesamt 1559 Personen, 1296 Frauen und 263 Männer, als Opfer häuslicher Gewalt oder von Stalking vom Gewaltschutzzentrum Tirol beraten und unterstützt.

"Wir wollten bewusst nicht auf altbekannte Bilder von Frauen mit blauen Flecken oder einem blauen Auge zurückgreifen, sondern eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema anregen und auch eine Form des Empowerments erreichen", sagt Burtscher. Die Motive seien von den Künstlerinnen und Künstlern über Monate hinweg in enger Kooperation mit Organisationen entwickelt worden, die im Bereich Opferschutz und Prävention tätig sind, darunter die Vereine Frauen gegen VerGEWALTigung und Mannsbilder Tirol sowie das Frauenzentrum Osttirol.

Lokale Ausrichtung

Dem Vorwurf der "Diskriminierung von Tirolern" hält die Initiatorin des Projekts entgegen, dass dieses eben für Tirol entwickelt worden sei und sich deshalb auf die hiesige Situation konzentriert habe.

"Wir haben inzwischen aber mit Stefanie Sargnagel vereinbart, diese Plakate für alle Bundesländer zu produzieren." Burtscher räumt aber auch ein, dass bei der Plakataktion nicht alles ideal gelaufen sei. So wurde etwa das Motiv von Giannotti an einer Plakatwand in Osttirol eher unglücklich platziert. Der Installateur, der direkt daneben mit dem eigenen Konterfei seine Dienstleistungen bewarb, dürfte jedenfalls wenig Freude damit gehabt haben. Die Plakatkampagne #etwaslaeuftfalsch, übrigens bereits 2021 in Südtirol gestartet, soll trotz allem in anderen Städten und Regionen fortgesetzt und um weitere Motive ergänzt werden, in Tirol sind auch Vermittlungsprogramme geplant. (Ivona Jelcic, 14.10.2022)