Es sind immer die "Einzelfälle", die plötzlich ein ganzes System oder einen Zustand beleuchten. Der Oberstabswachtmeister des Bundesheers, der in einer SS-Uniform ("Obersturmbannführer") herummarschierte und bei allerlei öffentlichen Gelegenheiten den Hitlergruß zeigte, tat dies erstmals 2014. Und 2015. Und seither alle Jahre wieder. Bis ihn dann doch wer anzeigte und er 2022 wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.
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Ein Serientäter. Aber das Strafgericht und der zuständige Senat der Bundesdisziplinarbehörde waren milde. Es gab ein Geständnis und Reue. Der Bataillonskommandant sagte als Zeuge aus: "Das Betriebsklima wurde durch die Straftaten des OStWm. nicht besonders belastet." Es wüssten eh alle, dass auf Wiederbetätigung die Entlassung stehe. Nur kam es nicht zur Entlassung, weil das Gericht bei der Strafbemessung unter der Zwölf-monatsgrenze blieb. Der Unteroffizier hat mehrere Kinder, und seine Frau sei schwerkrank gewesen. Deshalb verdiene er eine "zweite Chance". Dem schloss sich der Vertreter des Verteidigungsministeriums (Disziplinaranwalt) an.

Jetzt will die Frau Verteidigungsministerin Tanner eine Kommission. Damit diese Art der Kameradendisziplinarverfahren (im Senat saßen nur Heeresangehörige) weniger "kameradschaftlich" ausfällt? Könnte man das nicht gleich auch für Polizeiübergriffe und dergleichen probieren? Viel Glück jedenfalls. (Hans Rauscher, 14.10.2022)