Mit dem Frackingboom ab den 2000er-Jahren wurden die USA zum weltweit größten Gasproduzenten. Mit Fracking könnte auch Österreich unabhängiger von russischem Gas werden, heißt es von immer mehr Seiten.

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Die goldenen Zeiten der Öl- und Gasförderung in Österreich sind lange vorbei. Seit 2003 sinkt die Produktion von heimischem Erdgas, selbst versorgen konnte sich das Land ohnehin nie. Heute liegt der Selbstversorgungsgrad im einstelligen Bereich. Schließlich lieferten andere Länder zuverlässig und günstig Gas, allen voran Russland, von wo Österreich bis vor kurzem noch 80 Prozent seines Verbrauchs bezog.

Doch diese Zeiten sind vorbei. In der Energiekrise sucht Europa nach neuen Erdgasquellen, vor allem im Ausland, aber auch aus heimischer Produktion. Damit kommt eine Idee aufs Tapet, die eigentlich schon vor zehn Jahren abgeschrieben wurde: Fracking.

Bei der Fördertechnik wird Gas, das durch konventionelle Methoden nicht förderbar ist, verfügbar gemacht. Dazu wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck unter die Erde gepresst, um kleine Risse im Gestein zu erzeugen. Dadurch kann das eingeschlossene Gas entweichen und aufgefangen werden.

Frackingboom in den USA

Doch die Methode ist umstritten. Kritikerinnen und Kritiker fürchten, dass sich die Chemikalien mit dem Grundwasser vermischen könnten, und bemängeln den hohen Wasser- und Flächenverbrauch des Verfahrens. Außerdem ist auch Frackinggas immer noch ein fossiler Brennstoff, der in einer klimaneutralen Welt nichts zu suchen hätte.

Viele Staaten setzten trotzdem auf Fracking, etwa die USA, wo es seit Mitte der 2000er-Jahre einen Boom erlebt. Die Vereinigten Staaten sind damit zum größten Erdgasproduzenten der Welt aufgestiegen, haben tausende Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen geschaffen, und vor allem sind sie inzwischen so gut wie unabhängig von Energieimporten. Das ist Gegenerzählung.

Ministerium prüft

Vor allem der Gedanke, nicht mehr auf Putins Gas angewiesen zu sein, klingt für viele reizvoll. Seit der russischen Invasion mehren sich die Stimmen, die Fracking in Österreich zumindest andenken. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) gehört dazu, ebenso wie der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer, Wifo-Chef Gabriel Felbermayr oder FPÖ-Obmann Herbert Kickl.

Ende September kündigte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) an, die Staatsholding Öbag prüfen zu lassen, wie Österreich mehr Gas fördern könnte – und zwar "ohne Denkverbote". Explizit soll auch das Potenzial von unkonventionellen Fördermethoden evaluiert werden, zu denen Fracking gehört. Die Entscheidung läge bei Brunners Ressort: Erst im Juli sind die Bergbau-Agenden vom Landwirtschafts- ins Finanzministerium gewandert.

Per se verboten ist Fracking in Österreich nicht. Trotzdem machten die Politik und auch die Ölfirmen bisher einen Bogen um das Thema. 2012 plante die OMV Probebohrungen im Weinviertel, wo der Mineralölkonzern riesige Mengen an Schiefergas vermutete.

Zum Einsatz hätte eine an der Montanuniversität Leoben entwickelte Technik kommen sollen, bei der statt Chemikalien nur mit Maisstärke und Kaliumkarbonat gearbeitet wird. "100 Prozent umweltkompatibel" sei diese, sagte dessen Erfinder Herbert Hofstätter im Mai dieses Jahres zum STANDARD. Die ansässige Bevölkerung protestierte trotzdem. Letztlich kam es zu einer Gesetzesnovelle, die für Probebohrungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht. Die OMV legte das Projekt auf Eis.

Keine konkreten Pläne

Dort liegt es bis heute. Auf Nachfrage bezüglich eines Frackingcomebacks winkte die OMV stets ab, zumindest solange sich an den regulatorischen Rahmenbedingungen nichts ändert, wie es von der Pressestelle heißt. Das ad acta gelegte Vorhaben passt nicht mehr zur neuen Strategie von Österreichs größtem Industrieunternehmen. Die OMV will ihre Förderung bis 2030 um 20 Prozent reduzieren und ab 2050 gar kein Öl und Gas für die Verbrennung aus der Erde holen. Stattdessen will OMV-Chef Alfred Stern das Unternehmen zum Kunststoff- und Chemiespezialisten umbauen. Ein Plan, der nicht unumstritten ist – insbesondere in Zeiten der Energiekrise.

Im niederösterreichischen Poysdorf hätten vor zehn Jahren Fracking-Probebohrungen stattfinden sollen. Nach Bürgerprotesten blies die OMV die Sache ab.
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Die Frackinggegner aus dem Weinviertel sind deshalb heute wieder in Alarmbereitschaft. Sie fürchten, dass bei einem Wechsel an der OMV-Spitze auch Fracking im Weinviertel wieder aktuell werden könnte. Jochen Höfenstock von der Initiative "Weinviertel statt Gasviertel" schreibt deshalb fast wöchentlich Massen-E-Mails an Politikerinnen und Journalisten, die er davon überzeugen will, dass Fracking im Weinviertel keine Option ist.

Debatte um Öko-Fracking

Für ihn ist klar: Das an der Montanuniversität Leoben konzipierte "Öko-Fracking" ist keinesfalls grün. Weniger die Flüssigkeit, die in den Untergrund gepumpt werde, zähle, sondern das, was heraufkomme – das sogenannte Lagerstättenwasser. Das oft toxische Gemisch müsste aufwendig entsorgt werden. Oder, noch schlimmer, es könnte sich mit den Grundwasserschichten, die perforiert werden, vermischen. Hofstätter wiederum versicherte, dass dies dank mehrfacher Abdichtung praktisch unmöglich sei.

Doch auch ohne Kontaminierung des Grundwassers werden für jeden Frackingvorgang Millionen Liter Wasser benötigt – ein Gut, das in einem der niederschlagsärmsten Gebiete Österreichs ohnehin knapp ist.

Wie viel Gas im Weinviertel wirklich schlummert, weiß zudem niemand. 2012 ging die OMV von einer Menge aus, die Österreich 30 Jahre versorgen könnte. Doch da die Probebohrungen ausblieben, blieb es bei einer groben Schätzung. 2017 hat ein Team aus Forschern der Montanuniversität Leoben in alten Bohrlöchern der Umgebung nachgemessen. Sie kommen zu dem Fazit, "dass das Schieferöl- und Schiefergaspotenzial in der Vergangenheit überschätzt wurde", wie die Forschenden in einem in einem Fachjournal erschienenem Artikel schreiben. Die Vorkommen liegen einfach zu tief, als dass sie sich wirtschaftlich fördern lassen könnten.

Fragwürdige Ökobilanz

Bis ein Feld genehmigt und erschlossen wäre, würden zudem Jahre vergehen – für die aktuelle Krise würde das heimische Gas deshalb zu spät kommen. Da das Fracking-Gas teurer ist als solches aus konventioneller Produktion müssten die Gaspreise hoch bleiben, damit sich die Förderung lohnt.

Entweicht das Erdgas, das zum Großteil aus Methan besteht, in die Atmosphäre, trägt es dort kurzfristig rund 80-mal mehr zur Klimaerwärmung bei als die gleiche Menge CO2. Wie viel Gas auf dem Weg von der Lagerstätte bis zur Gastherme verlorengeht, ist nicht genau bekannt. Nur: Der Anteil dürfte bei Frackinggas größer sein als bei konventionell gefördertem Methan.

Messungen zeigen, dass die Methankonzentration insbesondere über den nordamerikanischen Frackinggebieten zugenommen hat. Manche Fachleute schätzen sogar, dass die Treibhausgasemissionen beim Fracking so groß sind, dass man genauso gut Kohle verbrennen könnte. Seinem Ruf als "Brückentechnologie", also als zwar nicht sauberer, aber eben auch nicht so schmutziger Energieträger, würde Erdgas dann nicht mehr gerecht werden.

Das Wort Brückentechnologie kann Frackinggegner Höfenstock nicht mehr hören. "Ich frage mich, wo da die Brücke ist, wenn wir dort bleiben, wo wir eigentlich wegwollen", sagt der Weinviertler. Die Milliarden, die in Frackinganlagen fließen würden, würde er lieber in Energiespeicher, Windräder und Wärmepumpen investiert sehen. Davon hätten auch die Menschen vor Ort etwas. (Philip Pramer, 17.10.2022)