17 Zelte wurden am Wochenende im Erstaufnahmezentrum Thalham aufgestellt – und die Gemeinde vor vollendete Tatsachen gestellt.

APA/Daniel Scharinger

Linz/Wien – Der Anruf aus dem Innenministerium ereilte Ferdinand Aigner am vergangenen Freitag Punkt 13 Uhr. "Da hat man mir dann mitgeteilt, dass Samstagfrüh die Zelte geliefert werden und bereits am Abend der erste Bus mit Asylwerbern kommt." Aigner ist ÖVP-Bürgermeister in der kleinen Gemeinde St. Georgen im Attergau.

Lange Diskussionen

Die Tourismusgemeinde nahe dem Attersee war immer schon auch ein Schauplatz aktueller Asyldebatten. 2004 etwa, als das Innenministerium die langjährige Flüchtlingsbetreuungsstelle Thalham in eines von zwei Asyl-Erstaufnahmezentren umwandelte. Da fand die Idylle im nahen St. Georgen plötzlich ein jähes Ende. Geschäftsleute klagten über Ladendiebstähle, Frauen aus dem Ort berichteten von sexuellen Belästigungen, Hoteliers fürchteten ein Ausbleiben der Gäste. Erst mit der Festlegung einer Maximalbelegzahl von 120 Flüchtlingen im April 2010 entschärfte sich die Situation im Ort.

2015 dann erstmals das Ansinnen des Bundes, dem Flüchtlingsandrang mit Zelten in Thalham Herr zu werden. Aigner, damals schon Gemeindeoberhaupt, rief zu einer Autobahnblockade auf – das Ministerium packte letztlich die Zelte wieder ein. "Aber zumindest ist 2015 die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP,_Anm.) noch persönlich nach St. Georgen gekommen, um mit mir zu reden. Heute ist das alles wurscht, da bist einfach eine Nummer. Ein Anruf, und schluck die Krot. Aber wir lassen uns das sicher jetzt nicht gefallen", ärgert sich Aigner im STANDARD-Gespräch.

Schweigen auf Landesebene

Es werde ja auch nicht mit offenen Karten gespielt: "Am Freitag hat man mir zwölf Zelte angekündigt, am Samstag wurden 17 Zelte aufgebaut." Bis Samstagnachmittag habe sich auch niemand vom Land Oberösterreich gemeldet. "Kein Landeshauptmann, kein Soziallandesrat. Man hat mich einfach im Regen stehen lassen", ärgert sich Aigner. Wieder einmal sei St. Georgen der Lückenbüßer: "Der Karner macht es sich leicht und sagt: ‚Wenn die Oberösterreicher nicht ordentlich tun, haben wir ja eh St. Georgen.‘"

Wichtig ist dem Bürgermeister, dass es "nicht um ein Ausländer thema oder so" gehe: "Wir sind mit dem Erstaufnahmezentrum voll mit bis zu 200 Personen und haben zusätzlich aktuell 62 ukrainische Waisenkinder bei uns im Ort untergebracht. Aber das ist alles wurscht, da kriegt St. Georgen noch was drauf, weil’s anderswo nicht funktioniert." Er müsse jetzt etwas tun, meint Aigner. "Sonst frisst mich die Bevölkerung." Konkret hat sich der St. Georgner Bürgermeister mit seinen Amtskollegen aus den Nachbargemeinden abgestimmt. Im Raum steht erneut eine Autobahnblockade. Details will man dann in einer Pressekonferenz heute, Montag, präsentieren.

Von Landesseite weist man die Bürgermeisterkritik entschieden zurück. Man habe "bereits am Freitagnachmittag" mit Ferdinand Aigner Kontakt aufgenommen, heißt es auf Nachfrage aus dem Büro von Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP).

Verstärkte Polizeipräsenz

In der Sache selbst versichert Hattmannsdorfer, dass man "die Sorgen und Bedenken der Bevölkerung" ernst nehme. Und er kündigt Veränderungen auf dem Zeltplatz an: "Dass Zelte direkt angrenzend an Wohnhäuser aufgebaut werden, ist für die Bewohner unzumutbar. Sie müssen an derartigen Orten unverzüglich entfernt werden." Das habe er auch bereits mit dem Innenminister und dem Bürgermeister in St. Georgen vereinbart. Zudem werde die Polizeipräsenz in der Umgebung der Unterkunft erhöht.

In anderen Bundesländern hat man dem Innenministerium gleich die Tür zugeschlagen. Die SPÖ Burgenland sieht in dem Aufstellen von Zelten für Asylwerber überhaupt ein "Totalversagen der ÖVP-Grünen-Bundesregierung". Landesgeschäftsführer Roland Fürst sprach sich klar gegen diese Maßnahme aus. "Große Quartiere, Lager oder Zelte wird es im Burgenland mit Sicherheit nicht geben", betonte er.

Auch aus Vorarlberg kommt eine deutliche Ablehnung. "Nach dem Gespräch mit dem Innenminister werden zum jetzigen Zeitpunkt keine Zelte in Vorarlberg aufgestellt", teilte Landesrat Christian Gantner (ÖVP) am Wochenende mit. Tirol will ebenso keine Zelte, man werde Gebäude suchen und anbieten. Entschieden gegen Zelte ist man auch in Wien und Kärnten.

Doch ungeachtet der massiven Länderproteste werden die Vorbereitungen "nach derzeitigem Stand" wie vom Innenministerium beauftragt zu Beginn der kommenden Woche aufgenommen werden, stellt man vonseiten der Bundesbetreuungsagentur (BBU) klar. In Kärnten wurden tatsächlich bereits am Samstag in Villach und Klagenfurt je fünf beheizte Zelte für jeweils acht Personen aufgestellt. Gedacht sind die Zelte für mehrere Hundert allein reisende junge Männer ohne Bleibewahrscheinlichkeit. Frauen, Kinder und Familien kommen in feste Unterkünfte. (Markus Rohrhofer, 16.10.2022)