Twitter und Co auf dem Smartphone: So praktisch und vielfältig diese Dinge sind, so sehr legt ihre konstante Präsenz einen Schleier über unsere Wahrnehmungen und zwischenmenschlichen Beziehungen.

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"Papa, lösch Twitter von deinem Handy!", sagten meine Kinder unisono, als ich mit der Botschaft nach Hause kam, dass mich H.-C. Strache verklagt hat. Ein paar Wochen davor hatte ich – unbedacht und von irgendwo unterwegs – einen Zeitungsartikel mit Enthüllungen über den ehemaligen FPÖ-Parteichef über einen Tweet geteilt. Ohne die Angabe der Unschuldsvermutung beschuldigte ich Strache im beigefügten Kommentar zu Unrecht des Diebstahls von Steuergeldern. Mein Anwalt verhandelte am Ende eine außergerichtliche Einigung, die nicht gerade billig war. Schon mit ein paar Tausend Followern sei ich eben ein Medium, und da gelte das Medienrecht, meinte der Rechtsexperte.

Viel zu viel Zeit mit dem Smartphone

Als Erwachsener keine Ahnung von der Gesetzgebung zu haben beschämte mich weniger, als plötzlich zu realisieren, dass ich eigentlich viel zu viel Zeit mit meinem Smartphone verbrachte. Bisher hatte ich meinen Kindern erklärt, dass sie als Jugend konstant gefordert seien, den richtigen Umgang mit dem Handy zu finden. Nun war ich es, ihr Vater, der reumütig die Apps sozialer Medien vom Telefon löschte. Diese Episode ist jetzt genau zwei Jahre her. Auch wenn ich mir dabei wie das Testimonial für eine neue Diät vorkomme: Mein Leben ist nach dieser "Smartphonekur" ein anderes geworden.

Beim Zugfahren schaue ich jetzt immer wieder mal aus dem Fenster, nehme mir ein Buch heraus und genieße die ungeplante Zeit. Zu Hause haben wir die Regel eingeführt, dass es am Esstisch keine Telefone gibt, weder von Eltern noch Kindern. Die Zeiten, wo ich am WC noch schnell Nachrichten kommentierte, sind vorbei. Die Streitgespräche mit meiner Frau, die es zu Recht furchtbar nervte, wenn ich das in ihrer Gegenwart im Restaurant tat, ebenso. Und das Wichtigste: Meine Ermahnungen, wenn die Kinder ihre eigene Bildschirmzeit überziehen, haben nun endlich Gewicht.

Die Präsenz des Mobiltelefons

Das Sozialexperiment zu unserem gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit dem Smartphone ist weiter voll im Gang, wir alle sind dabei die Versuchskaninchen. Wussten Sie, dass allein die Präsenz eines Mobiltelefons in Sichtweite messbar unsere Konzentrationsfähigkeit einschränkt und Studierende um 20 Prozent weniger effektiv lernen? Und war Ihnen klar, dass Sie eine neue Bekanntschaft als Gesprächspartner unbewusst als weniger sympathisch und vertrauenswürdig wahrnehmen, wenn diese beim Gespräch ihr Handy auf den Tisch legt?

So praktisch und vielfältig diese Dinge sind, so sehr legt ihre konstante Präsenz einen Schleier über unsere Wahrnehmungen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber ich bin optimistisch, dass wir lernen werden, mit den Zeitfressern in unseren Hosen- und Handtaschen umzugehen. Es gibt einen Mittelweg zwischen konstanter "Smartphone-Vermüllung" des Alltags und totalem Verzicht. Bis dahin werden wir uns weiter Gedanken machen, wie wir mit Selbstbeschränkung unsere Freiheit wieder gewinnen. Mehr als eine gesellschaftliche Debatte hilft der Dialog unter Freunden und in der Partnerschaft oder, bei besonders schweren Fällen wie meinem, ein klares Machtwort der eigenen Kinder. (Philippe Narval, 17.10.2022)