Impfproteste in Texas im Sommer 2021.

Foto: AFP / MARK FELIX

Die Impfungen gegen Covid-19 dürften nach Modellrechnungen, die in der führenden Medizinzeitschrift "The Lancet" publiziert wurden, allein im Jahr 2021 gut 14 Millionen Menschen das Leben gerettet haben. Ganz grob und anteilsmäßig auf Österreich umgelegt käme man auf rund 15.000 Personen, die womöglich an Covid-19 gestorben wären, wenn sie sich nicht hätten impfen lassen.

Mögen diese Zahlen auf den ersten Blick etwas hoch erscheinen, so gilt umgekehrt, dass sich etliche CoV-Tote hätten verhindern lassen, wäre die Impfbereitschaft größer gewesen. Doch die Impfangstmache durch bestimmte Parteien und Personen sorgte auch in Österreich dafür, dass unser Land bei der Impfquote unter dem westeuropäischen Durchschnitt blieb.

Genaue Zahlen für die Auswirkungen der FPÖ-Antiimpfpropaganda existieren für Österreich zwar nicht. Für Deutschland gibt es immerhin Daten, wonach in Regionen, in denen die AfD am stärksten vertreten ist, 40 Prozent der Menschen noch nicht geimpft sind. Man darf annehmen, dass Ähnliches für Hochburgen der FPÖ und der MFG gilt.

Daten aus den USA

Eine neue Studie aus den USA, wo die Impffrage von den Republikanern noch stärker politisiert wurde als in Österreich durch die Rechtspopulisten, wartet nun mit Schätzungen auf, wie viele Menschen dieser organisierten Impf- und Wissenschaftsskepsis zum Opfer fielen. Empirische Grundlage der Berechnungen sind die Sterblichkeitsraten von registrierten Republikanern und Demokratinnen in den US-Bundesstaaten Florida und Ohio. Das erschreckende Ergebnis lautet: Bis zu 60.000 Tote hätten sich in den USA vermeiden lassen.

Wie das Forschertrio um Jacob Wallace (Yale School of Public Health) in einem Arbeitspapier für das angesehene National Bureau of Economic Research ermittelte, nahm die Übersterblichkeitsrate von registrierten Demokraten im Lauf des Jahres 2021 – also in jenem Jahr, als die CoV-Impfstoffe verfügbar wurden – nur um zehn Prozent zu, während die entsprechende Rate bei Republikanerinnen um bis zu 33 Prozent nach oben schnellte. Wiesen die Übersterblichkeitskurven vor der Pandemie kaum Unterschiede auf, ging die rot-blaue Schere während der Pandemie auseinander – und ganz besonders ab der Verfügbarkeit der Impfstoffe 2021:

Übersterblichkeitsraten in Prozent.
Grafik: Jacob Wallace et al., NBER 2022

Während die Wissenschaft mit den CoV-Impfungen ein gutes Schutzschild zumindest gegen schwere Verläufe bereitstellte, wollten viele Republikanerinnen und Republikaner nicht daran glauben: Im Mai 2021, als alle Erwachsenen in den USA geimpft werden konnten, hatte weniger als die Hälfte der Anhänger der Grand Old Party (GOP) das Impfangebot angenommen, verglichen mit 82 Prozent der Demokraten. In Kerngebieten der GOP haben sich bis heute mehr als 55 Prozent noch immer nicht impfen lassen.

Folgen republikanischer Impfskepsis

Das hat Folgen: Seitdem es CoV-Impfstoffe gibt, ist die Rate bei den Covid-Todesfällen in republikanischen Gebieten fast dreimal so hoch wie in demokratisch dominierten Gebieten. Diese republikanische Impfskepsis hat auch mit dem dramatisch schwindenden Vertrauen in die Wissenschaft bei den GOP-Anhängern zu tun, wie die "Financial Times" im Zusammenhang mit der neue Studie nahelegt. (Ähnliche Zusammenhänge lassen sich wohl auch für Europa und Österreich angesichts der Eurobarometerumfrage vermuten.)

Noch im Jahr 1982 sagten 50 Prozent der Personen, die sich als Republikaner bezeichneten, in einer großen Umfrage, dass sie "großes Vertrauen" in die Wissenschaft hätten. Zwanzig Jahre später waren aus 50 Prozent 40 geworden, und im letzten Jahr vertrat nur noch ein Drittel der Republikaner diese Ansicht, verglichen mit zwei Dritteln der Demokraten. (Zum Vergleich: Vor vierzig Jahren waren diese beim Wissenschaftsvertrauen noch fast zehn Prozentpunkte hinter den republikanischen Parteigängern gelegen. In Österreich wiederum ermittelte eine aktuelle Umfrage, dass bescheidene 47 Prozent "großes oder sehr großes Vertrauen in Wissenschaft und Forschung" haben.)

Rückgang bei der Lebenserwartung

Wie es zu diesem Vertrauensverlust bei den Republikanern kam, ist nicht ganz klar. Der Siegeszug der Evangelikalen und christlichen Rechten innerhalb des konservativen Lagers trug wohl nicht unwesentlich dazu bei.

Wissenschaftsskepsis und impfkritische Einstellungen sind natürlich keine alleinige Domäne der Rechten in den USA. Aber die Ausmaße der dortigen Polarisierung übertreffen alles, was in anderen reichen Industrieländern beobachtbar ist. Die Folgen davon zeigen sich nicht zuletzt auch in neuen Daten zur Verkürzung der Lebenserwartung durch die Pandemie und in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Impfquote.

Laut einer neuen Studie im Fachblatt "Nature Human Behaviour" ging die Lebenserwartung unter den 29 untersuchten Ländern von 2019 bis 2021 nur in Bulgarien und der Slowakei stärker zurück als in den USA, wo die Reduktion 28,2 Monate betrug. Österreich liegt laut dieser Studie mit 7,6 Monaten im Mittelfeld. (tasch, 18.10.2022)