Mitarbeiter der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sollen an der Rettung der Menschen beteiligt gewesen sein.

Foto: Reuters / Kacper Pempel

Athen/Warschau – Die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat einen Vorfall bestätigt, bei dem am Freitag 92 Migranten nackt über den Grenzfluss Evros von der Türkei nach Griechenland getrieben worden sein sollen. Beamte der EU-Behörde hätten die griechischen Grenzer bei der Rettung der Menschen unterstützt, teilte eine Sprecherin der Behörde am Sonntagabend mit. Sie hätten berichtet, dass die Menschen fast nackt aufgefunden und manche sichtbar verletzt gewesen seien.

Der Vorfall sei umgehend an den Frontex-Zuständigen für Grundrechte weitergeleitet worden, um eine mögliche Verletzung von Grundrechten zu überprüfen. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis kündigte an, den Vorfall nächste Woche bei einem Besuch in New York bei den Vereinten Nationen zur Sprache zu bringen. Es gebe dazu auch Foto- und Videomaterial. Die EU-Kommission habe er bereits informiert, twitterte Mitarakis am Montag.

Gegenseitige Schuldzuweisung

Athen und Ankara hatten sich am Wochenende für den Vorfall gegenseitig die Schuld zugeschoben. Der griechische Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos sprach von barbarischem Verhalten, das ans Mittelalter erinnere. Der türkische Vizeinnenminister hingegen twitterte, Griechenland versuche die eigene Grausamkeit der Türkei unterzuschieben.

Zuvor hatten griechische Behörden und Medien am Samstag ein Foto veröffentlicht, das die nackten Menschen zeigte. Einige Migranten berichteten, sie seien in drei Fahrzeugen der türkischen Behörden an die Grenze transportiert und dort in Schlauchboote gesetzt worden, um den Fluss zu überqueren. Frontex und die griechischen Grenzer hätten die Migranten bekleidet und versorgt, teilte die Grenzschutzagentur mit. Die Menschen sollen aus Afghanistan, Syrien und Pakistan stammen.

Schwierige Wetterbedingungen

Der Generalsekretär des griechischen Grenzschutzes in Evros, Dimitris Derventlis, zeigte sich schockiert. "Am Samstagmorgen retteten meine Kollegen eine große Gruppe illegaler Einwanderer und erlebten dabei einen unmenschlichen und entwürdigenden Anblick", beschrieb er die Situation. Die Migranten seien von türkischen Militärs geschlagen worden, sagte er am Montag dem TV-Sender ERT. Er verwies auf die schwierigen Wetterbedingungen: Morgens sei es sehr kalt und die Luftfeuchtigkeit hoch. "Die meisten Migranten stammen aus Afghanistan, ein paar aus Syrien und Pakistan, alle Männer sind im Alter von 22 bis 25 Jahren", sagte er. (APA, 17.10.2022)